Ins Ausland geflohen
Afghanistan „verkauft“: Wut über Präsident Ghani
Während die Taliban am Sonntag unerwartet schnell in Kabul einmarschiert sind, floh der afghanische Präsident Ashraf Ghani ins Ausland. Wohin er ausgeflogen wurde, ist nicht bekannt: Al Jazeera meldete Usbekistan als Zielland, in afghanischen Regierungskreisen wurde Tadschikistan genannt. Ghani rechtfertigte die Flucht damit, dass er versucht habe, Blutvergießen zu verhindern. Regierungsmitglieder kritisierten die Entscheidung scharf: „Sie haben uns die Hände hinter dem Rücken gefesselt und das Land verkauft“, twitterte Verteidigungsminister Bismillah Khan Mohammadi.
Ghani und seine Gruppe seien verdammt, schrieb er weiter. Was genau er damit meinte, erläuterte der Minister nicht. Bildungsministerin Rangina Hamidi sprach von einer „wirklichen Schande“. In sozialen Medien drückten viele Afghanen große Wut über den Präsidenten aus. Eine junge Frau schrieb auf Facebook, dass wegen Ghani ihre nun Familie Musikinstrumente und Bücher verbrennen müsse, mit denen auch so viele Kindheitserinnerungen verbunden seien. Wieder andere teilten Bilder von Ghani und versahen diese lediglich mit Schimpfwörtern.
Sängerin nennt Ghani „schmutzigstes Tier“
Er habe Afghanistan zerstört, durch ihn seien Tausende Kinder nun vaterlos, er habe dem Land jegliche Sicherheit genommen und schließlich dem Feind übergeben, schrieb die in Afghanistan populäre Sängerin Sediqa Madadgar auf Facebook. Er werde als das „schmutzigste Tier“ in die Geschichte des Landes eingehen.
„Kabul wäre zerstört worden“: Ghani rechtfertigt Flucht
Wenige Stunden nach seinem Abflug aus Afghanistan hatte Ghani versucht, in einem Facebook-Posting seine Flucht zu rechtfertigen: Er sei vor einer schweren Entscheidung gestanden. Wäre er geblieben, hätten zahlreiche Landsleute den Märtyrertod erlitten und die Stadt Kabul wäre zerstört worden, schrieb er. Die bis nach Kabul vorgerückten Taliban haben nach seinen Worten in der Vergangenheit erklärt, dass sie bereit seien, blutige Angriffe in Kabul zu verüben, um ihn von der Macht zu vertreiben. „Ich entschied mich zu gehen, um dieses Blutvergießen zu verhindern.“
Die Taliban hätten ihren Erfolg durch Waffengewalt erzielt und seien nun dafür zuständig, die Leben, das Vermögen und die Ehre der Bürger zu schützen, so Ghani weiter. Noch zu keiner Zeit in der Geschichte habe die Anwendung von Gewalt irgendjemandem Legitimität verliehen, und dies werde auch in der Zukunft nicht der Fall sein, hieß es in der Erklärung weiter. Die Islamisten stünden nun vor einer historischen Herausforderung.
Taliban im Präsidentenpalast
Nachdem sie am Sonntag in mehrere Stadtbezirke vorgedrungen waren, besetzten die Taliban auch den Präsidentenpalast in Kabul. Auf Bildern in sozialen Netzen war zu sehen, wie Kämpfer am Schreibtisch von Ashraf Ghani sitzen.
Koordinierungsrat für Übergabe gebildet
Nach Ghanis Flucht sei nun ein Koordinierungsrat für eine friedliche Übergabe der Macht gebildet worden, teilte Hamid Karzai, bis 2014 Afghanistans Präsident, auf Facebook mit. Der Rat sei gebildet worden, um Chaos zu vermeiden und das Leiden der Menschen zu verringern. Diesem gehöre der Kriegsfürst Gulbuddin Hekmatjar und er selbst an. Den Vorsitz führt der amtierende Regierungschef Abdullah Abdullah. Dieser nannte Ghani bereits den „früheren Präsidenten“, obwohl der offiziell noch im Amt ist.
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