Ralf H. hatte sich um Freund Francesco Gullino schon große Sorgen gemacht. „Er war telefonisch nicht erreichbar – das hat es vorher nie gegeben“, erzählt der 47-Jährige. Am Sonntagvormittag fuhr er deshalb nach Wels zur Wohnung des 75-Jährigen und läutete dort Sturm. „Ich hab’ geschrien, geklopft und angerufen, aber niemand hat reagiert“, so H.
Als ihm ein Nachbar dann erzählte, dass er Gullino seit einer Woche nicht mehr gesehen habe, befürchtete H., dass der Pensionist gestürzt sein könnte und bewusstlos in der Wohnung liege. „Er hatte Probleme mit einem Fuß - das war für mich naheliegend.“ Da H. wusste, dass die Eingangstür nicht versperrt, sondern nur mit einer Kette gesichert war, holten die Männer einen Schraubenzieher und lösten die Kette.
„Ich bin dann rein und hab’ den Francesco liegen gesehen - es war offensichtlich, dass er nicht mehr lebt.“ Gullino dürfte schon tagelang tot gewesen sein. Die Polizei wurde alarmiert, der H. auch erklärte, dass der Freund und Taufpate seines Sohnes früher auch Agent des bulgarischen Geheimdienstes war und als Schlüsselfigur im spektakulären „Regenschirm-Attentat“ auf den bulgarischen Regime-Kritiker Georgi Markow am 7. September 1978 in London galt.
Mit Regenschirm-Spitze eine Giftkugel injiziert
Ein Unbekannter hatte den Schriftsteller (49) damals auf der Waterloo-Bridge mit einer präparierten Regenschirmspitze ins Bein gestochen. Dabei wurde ihm eine 1,52 Millimeter große Platin-Iridium-Kugel in den Unterschenkel injiziert. Diese war mit giftigem Rizin befüllt und von einem Zuckerguss umschlossen, der sich bei Körpertemperatur auflöste. Vier Tage nach dem Attentat war Markow tot.
Laut bulgarischen Geheimdienstunterlagen hatte ein Agent namens „Piccadilly“ den Mord verübt. Britische Ermittler vermuteten Gullino hinter diesem Pseudonym. „Der Francesco war damals in London, hat aber immer gesagt, dass er mit der Tat nichts zu tun hatte“, betont H., der ihm das glaubte. „Er war kein aggressiver Mensch und wirkte alles andere als ein Mörder.“
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