Nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan spielen sich beim Flughafen der Hauptstadt Kabul dramatische und erschütternde Szenen ab. Hunderte Menschen versuchen in wartende Maschinen zu gelangen, sie stürmen das Rollfeld, klammern sich an Drehleitern fest. Es soll auch Tote gegeben haben. Migrationsexperten rechnen aber nicht mit einer Flüchtlingswelle nach Europa.
In den sozialen Netzwerken machen Bilder und Videos die Runde, auf denen die verzweifelte Lage der Menschen in Afghanistan deutlich wird. Die Leute klammern sich an startende Flugzeuge, es kursieren Berichte von Personen, die aus großer Höhe aus einer Militärmaschine stürzen, sie sollen sich im Bereich der Räder versteckt gehalten haben.
Nicht nur auf dem Flughafen herrscht Chaos, auch die Straßen, die aus Kabul hinausführen, sind völlig verstopft. Die Menschen wollen nach der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban so rasch wie möglich weg aus dem Land.
Doch das dürfte nicht so leicht sein, wie Migrationsexperte Gerald Knaus im Gespräch mit der „Krone“ erklärt: Die Taliban kontrollieren die Grenzen, es sei unklar, ob diese die Flüchtenden überhaupt ausreisen lassen. Generell sei die jetzige Situation nicht mit dem Jahr 2015 vergleichbar.
Damals hätte es in der Türkei offene Grenzen für Syrer gegeben. Jetzt habe die Türkei die Anzahl der Soldaten an der Grenze erhöht, es werden Mauern errichtet, so Knaus. Auch Pakistan habe die Grenzen geschlossen, eine Wiederholung der Ereignisse von 2015 sei also „ausgeschlossen“.
Auch der ehemalige Bundesheer-Brigadier und Sicherheitsexperte Walter Feichtinger rechnet nicht mit einer Flüchtlingswelle nach Europa. Zunächst würden die Menschen in die Nachbarstaaten fliehen, so Feichtinger Sonntagabend in der ORF-Sendung „Runder Tisch“.
Wien bietet Aufnahme von Geflüchteten an
Am Montag meldete sich Wiens Bürgermeister Michael Ludwig via Twitter zu Wort: Er fordert Hilfe für besonders Schutzbedürftige, etwa Menschen, die für die Europäische Union in Kabul gearbeitet haben oder sich für die Rechte von Frauen einsetzen. Ludwig bietet an, diese Personen in Wien aufzunehmen. Laut Außenministerium warten derzeit 15 Österreicher in Kabul auf die Ausreise.
ÖVP-Vorschlag „total utopisch“
Unterdessen prolongiert ÖVP-Innenminister Karl Nehammer die, völlig an der Realität vorbeigehende, Abschiebedebatte. Er plädiert nun für Abschiebezentren in der Region rund um Afghanistan. „Total utopisch“ nennt Migrationsexperte Knaus diesen Vorschlag.
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