Heimlich, still und leise hat sich der Luchs in fast ganz Vorarlberg ausgebreitet. Dennoch sind Sichtungen des Pinselohrs äußerst selten, Hinweise liefert vor allem die Jägerschaft.
Vor acht Jahren ist im Gamperdonatal im Bezirk Bludenz mit einem Foto erstmals der Nachweis eines Luchses in Vorarlberg erbracht worden. Die Großkatze galt seit dem 19. Jahrhundert in Mitteleuropa als ausgestorben. In den 1970er-Jahren starteten erste Ansiedlungsprojekte in der Ostschweiz. Mittlerweile ist das Pinselohr ganz still und heimlich nach Vorarlberg zurückgekehrt. „Der Luchs ist mit wenigen Ausnahmen im ganzen Land verbreitet, wobei der Rätikon, der Hohe Freschen und das Montafon die Hauptgebiete darstellen“, berichtet Gernot Heigl, Wildbiologe und Geschäftsführer der Vorarlberger Jägerschaft.
Im Gegensatz zum Auftauchen des Wolfes hat die Wiederansiedlung des Luchses bislang keine großen Wellen geschlagen. Das hat laut Heigl mehrere Gründe: „Der Luchs ist, was seine Beute betrifft, hauptsächlich auf Reh und Gams spezialisiert und reißt normalerweise keine Nutztiere.“ Die Großkatze ist im Gegensatz zum Wolf ein Einzelgänger und ein sogenannter Lauerjäger. Ganz nach Katzenart wird den Beutetieren an strategisch günstigen Orten, wie beispielsweise in der Nähe eines Wildwechsels, aufgelauert. Geduldig wartet der Luchs auf den richtigen Augenblick und setzt dann zu einem kurzen Sprint an, um die Beute zu schlagen. „Durch seine Art zu jagen, ist der Luchs viel mehr an den Wald gebunden als der Wolf. Das Verhalten von Nutztieren, die oftmals in einer Herde zusammenstehen, kommt seiner Jagdstrategie nicht entgegen“, erläutert Heigl.
Der Luchs ist, was seine Beute betrifft, hauptsächlich auf Reh und Gams spezialisiert und reißt normalerweise keine Nutztiere.
Gernot Heigl, Wildbiologe und Jäger
Nur ein Ziegenriss in acht Jahren
Nur selten kommt es doch zum Überschreiten dieser für den Menschen empfindlichen Grenze. So wurde beispielsweise vor ein paar Jahren eine Ziege in Mellau von einem Luchs gerissen. Doch das blieb bislang die Ausnahme. Die Samtpfote ist darüber hinaus ein ziemlicher Heimlichtuer - Menschen bekommen die Großkatze kaum zu Gesicht. Über 90 Prozent der Hinweise auf das Raubtier stammen von Jägern. Tatsächliche Sichtungen sind aber dennoch eher selten. Viele Nachweise werden mithilfe von Wildkameras, Fährten oder DNA-Proben erbracht.
Rund zwei Kilogramm Fleisch benötigt der Luchs pro Tag. Das entspricht ungefähr einer Gams oder einem Reh in der Woche. Aufs Jahr gerechnet sind das in etwa 50 Stück Wild. „Das macht sich in den Hauptverbreitungsgebieten der Großkatze natürlich bemerkbar. Im Mellental im Bregenzerwald beispielsweise ist die Anzahl der Rehe stark zurückgegangen“, merkt Heigl an. Vonseiten der Jägerschaft wünscht man sich daher, dass die Anwesenheit des Großräubers im Abschussplan berücksichtigt wird. Dies sorge nicht nur für mehr Ausgewogenheit, sondern sei auch für die Akzeptanz der Raubkatze von Bedeutung, meint Heigl.
"Große Bereicherung für die Biodiversität“
Wie bei anderen Großraubtieren auch, stellt sich die Frage, wie der Mensch mit der Präsenz des Luchses umgeht. Die Tiere selbst können sich meist gut an Kulturlandschaften anpassen. Dabei entsteht jedoch oft ein Konflikt zwischen tierischen Bedürfnissen und menschlichen Interessen. Der Luchs solle keinesfalls zum unliebsamen Jagdkonkurrenten hochstilisiert werden, betont Heigl: „Seine Anwesenheit stellt vielmehr eine große Bereicherung für die Biodiversität im Land dar.“ Zudem reguliere sich die Population quasi von selbst: „Ein Luchs besetzt ein Revier von etwa 15.000 Hektar Größe. Als Einzelgänger duldet er keine gleichgeschlechtlichen Artgenossen in seinem Gebiet.“ Das bedeutet in letzter Konsequenz auch, dass sich die Jungtiere nach etwa einem Jahr auf Wanderschaft begeben, um sich ein eigenes Territorium zu suchen.
Bislang wurde Pinselohr-Nachwuchs im Frödischtal (Bezirk Feldkirch) und im Mellental nachgewiesen. Eine kleine Sensation, wie Heigl betont. „Dies ist trotz intensiver Bemühungen nicht einmal im Nationalpark Kalkalpen gelungen.“
Für den kommenden Herbst ist der Start eines Monitoringprojekts geplant. In dessen Rahmen soll erfasst werden, wie viele Luchse mittlerweile in Vorarlberg heimisch sind und ob und wie sie in Verwandtschaft zueinander stehen.
Die Wildkatze ist ebenfalls zurückgekehrt
Im Zuge desselben Projekts will man auch das Vorkommen der Wildkatze in Vorarlberg näher erforschen. Bislang konnten mehrere Nachweise auf deren Existenz im Ebnitertal im Bezirk Dornbirn erbracht werden. „Die Europäische Wildkatze ist noch heimlicher unterwegs als der Luchs. Über die Vorarlberger Individuen ist so gut wie nichts bekannt“, sagt Heigl. Die nachgewiesenen Tiere könnten aus dem Schwarzwald eingewandert sein, oder aber waschechte Vorarlberger sein. Die Kleinkatze ist spezialisiert auf die Mäusejagd und gilt in Österreich laut der Roten Liste von 1989 als „ausgestorben, ausgerottet oder verschollen“. Den Ergebnissen des Monitoring Projekts kann daher mit Spannung entgegengeblickt werden. Für den Luchs sehe es jedenfalls gut aus, ist Gernot Heigl überzeugt: „Er ist Bestandteil der heimischen Natur und scheint in Vorarlberg gute Bedingungen vorzufinden. Eine Koexistenz von Mensch und Großkatze sollte auf jeden Fall möglich sein.“
Im deutschen Sprachraum ist mit „Luchs“ fast immer der Eurasische Luchs gemeint. Mit einer Kopfrumpflänge zwischen 80 und 120 Zentimetern und einer Schulterhöhe von 50 bis 70 Zentimetern ist der Luchs nach dem im Kaukasus vorkommenden Persischen Leoparden die größte Katze Europas. Die großen Pfoten verhindern, dass der Luchs im tiefen Schnee versinkt, seine Trittspuren sind etwa dreimal so groß wie die einer Hauskatze. In Mitteleuropa wiegen männliche Luchse, in der Jagdsprache „Kuder“ genannt, durchschnittlich zwischen 20 und 25 Kilogramm, Weibchen bringen ungefähr 15 Prozent weniger auf die Waage. Charakteristisch für die Raubkatze sind die Pinselohren, die ihr helfen, Lautquellen zu orten, sowie der sehr kurze Schwanz.
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