Bei Abschiedsbesuch
Merkel zu Putin: Nawalny-Haft „nicht akzeptabel“
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat von dem russischen Präsidenten Wladimir Putin erneut die Freilassung des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny verlangt - genau ein Jahr nach seiner Vergiftung. „Aus unserer Perspektive ist die Verurteilung zum Aufenthalt in einer Strafkolonie auf der Grundlage eines früheren Urteils, das der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ja für offenkundig unverhältnismäßig klassifiziert hat, nicht akzeptabel“, sagte Merkel bei ihrem Abschiedsbesuch in Moskau.
Sie habe gegenüber Putin „auch deutlich gemacht, dass wir hier an der Sache dranbleiben werden“, ergänzte Merkel am Freitag vor Journalisten. Genau vor einem Jahr hatte der mysteriöse Giftanschlag auf den Kreml-Kritiker stattgefunden, der dafür die russischen Behörden verantwortlich macht. Nach seiner Rückkehr nach Russland im Jänner wurde Nawalny verurteilt und in ein Straflager gebracht.
Putin: Nawalny „hat gewisse Regeln verletzt“
Putin verteidigte als Antwort erneut das Vorgehen der russischen Justiz: „Ich möchte betonen, dass er nicht für seine politischen Handlungen verurteilt wurde, sondern er hat gewisse Regeln verletzt.“ Diese würden unter anderem auch für internationale Partner gelten. Er warf dem Oppositionellen politische Machenschaften vor. Was die russischen Gerichte und deren Entscheidungen anbelange - „bitte respektieren Sie diese“, sagte der Kremlchef. Alle Staatsbürger Russlands hätten das Recht, ihre Meinung kundzutun, auch zu politischen Fragen - aber nur im gesetzlichen Rahmen. „Russland hat seinen Bedarf an Revolution erschöpft.“
Putins schärfster Gegner Nawalny war vor genau einem Jahr am 20. August 2020 auf einem Flug von der sibirischen Stadt Tomsk nach Moskau ins Koma gefallen. Der Oppositionelle wurde zwei Tage später zur Behandlung in die Berliner Universitätsklinik Charité geflogen. Er traf dort auch Kanzlerin Merkel. Sie hatte Moskau wiederholt aufgefordert, den Anschlag mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok aufzuklären.
Putin: „Taliban dürfen nicht über Grenzen“
Putin warnte unterdessen die Taliban davor, ihre Macht über Afghanistan hinaus auszuweiten. „Die Taliban dürfen nicht über die Grenzen des Landes hinwegschreiten“, sagte er nach dem Treffen mit Merkel. Das sei von „zentraler Bedeutung“. Der Staatschef plädierte für den Aufbau und die Stärkung der Demokratie in Afghanistan. „Wir dürfen nicht zulassen, dass die afghanische Regierung zerfällt.“ Die radikal-islamischen Taliban seien bereits dazu übergegangen, eine Rechtsordnung in dem Land zu schaffen. Putin plädierte noch einmal für ein international abgestimmtes Vorgehen. Er hoffe, dass die internationale Gemeinschaft zusammenhalte.
Merkel bat Putin um Unterstützung bei der Rettung afghanischer Ortskräfte. Für die deutsche Regierung habe im Moment Vorrang, möglichst viele Menschen nach Deutschland zu bringen, die beim NATO-Einsatz geholfen hätten, sagte die Kanzlerin. Sie habe diesen darum gebeten, in Gesprächen mit den Taliban darauf hinzuweisen, dass eine Zusammenarbeit in humanitären Fragen mit den Taliban besser möglich sei, wenn diese Menschen das Land verlassen könnten.
Merkel: Müssen versuchen, mit Taliban zu reden
Die deutsche Kanzlerin sagte, sie habe deutlich gemacht, „dass es ein sehr frustrierender Moment ist zu erleben, dass die Taliban zurückgekehrt sind und das Land kontrollieren“. Nun müsse man versuchen, mit ihnen zu reden. Die Kanzlerin bekräftigte erneut, dass es dem Westen mit seinem Einsatz gelungen sei, die von Afghanistan ausgehende akute Terrorgefahr zu bannen. „Aber sie ist nicht dauerhaft gebannt.“ Alle weitergehenden Ziele seien jedoch nicht erreicht worden.
Konfliktthema Ukraine ungelöst
Auch der Ukraine-Konflikt war Thema beim Treffen der beiden: Putin rief Merkel auf, bei ihrem Besuch in der Ukraine auf eine friedliche Lösung des Konflikts im Osten des Landes hinzuwirken. Es gebe keine Alternative zum Minsker Friedensplan, sagte Putin. Die Ukraine müsse ihre Verpflichtungen erfüllen. Merkel trifft am Sonntag den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu Gesprächen über den Konflikt. Sie beklagte, dass es dort auch weiter Tote gebe. Unter Vermittlung Deutschlands und Frankreichs ist seit längerem ein neuer Ukraine-Gipfel in Berlin geplant, der aber wegen fehlender Fortschritte in der Ostukraine auf sich warten lässt.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.