Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) will trotz der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban in Afghanistan keinen weiteren Flüchtlingen aus dem Land Schutz gewähren. „Ich bin nicht der Meinung, dass wir in Österreich mehr Menschen aufnehmen sollten, sondern ganz im Gegenteil“, so Kurz. Er stemmt sich damit gegen die Forderung von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die am Samstag die EU-Länder zur Aufnahme aufgefordert hatte.
Die internationale Gemeinschaft müsse jetzt „alles dafür tun“, um die Situation in dem krisengebeutelten Land zu verbessern, doch Österreich müsse sich auch eingestehen, dass „nicht alles in unserer Macht liegt“, sagt Kurz im Puls-24-„Sommergespräch“, das am Sonntagabend ausgestrahlt wird.
„Bereits großen Beitrag geleistet“
Österreich habe in den vergangenen Jahren mit der Aufnahme von 44.000 Afghanen im Zuge der Migrationskrise bereits einen „überproportional großen Beitrag geleistet“ und beherberge pro Kopf eine der größten afghanischen Communitys der Welt nach Iran, Pakistan und Schweden (also gleichzeitig Platz zwei in der EU).
„56% der afghanischen Jugendlichen in Österreich bewürworten Gewalt“
Die Aufnahme von weiteren Afghanen schloss er konsequent aus. „Das wird es unter meiner Kanzlerschaft nicht geben“, betonte Kurz mit Verweis auf die „besonders schwierige Integration“ von afghanischen Asylsuchenden hierzulande. „56 Prozent der afghanischen Jugendlichen in Österreich befürworten etwa Gewalt, wenn die Religion beleidigt wird.“
Kanzler für Unterstützung der benachbarten Staaten Afghanistans
Den Menschen solle stattdessen in benachbarten Staaten geholfen werden, wiederholte er den von ÖVP-Politikern geäußerten Vorschlag der vergangenen Tage. Konkret sah Kurz etwa Turkmenistan und Usbekistan, die bisher nur relativ wenige Afghanen aufgenommen hätten, in der Pflicht. Die EU solle Länder in der Region unterstützen und sie davon überzeugen, „Menschen, die Schutz suchen, auch Schutz zu gewähren“. Ebenso sollten Rückführungen in die Nachbarländer Afghanistans ermöglicht werden.
Die EU habe zudem sicherzustellen, dass die europäischen Außengrenzen ordentlich gesichert werden, illegale Migration entschieden bekämpft, das Geschäftsmodell der Schlepper zerschlagen werde und es zu keinem Weiterwinken nach Mitteleuropa mehr komme.
„Können nicht bestimmen, wie es in anderen Ländern zugeht“
Zwar stehe „absolut außer Streit“, dass die radikalislamischen Taliban, die Afghanistan in den vergangenen Wochen im Eiltempo erobert hatten, „grausam“ und die Lebensbedingungen in dem Land „furchtbar“ seien. Doch müsse man sich klarmachen, dass „wir nicht alles in der Hand haben, wir können nicht bestimmen, wie es in anderen Ländern zugeht“, so der Kanzler. Bürgerkriegsartige Zustände und immer wiederkehrende Unruhen seien „lange Geschichte und Tradition in diesem Land“.
„Dürfen die Fehler von 2015 nicht wiederholen“
„Wir dürfen die Fehler von 2015 nicht wiederholen“, wurde Kurz zudem in einer von seinem Büro übermittelten Stellungnahme zitiert. Der ÖVP-Chef meinte damit die Flüchtlingswelle im Sommer und Herbst vor sechs Jahren, als er als Außenminister bereits fast zwei Jahre im Amt gewesen war.
Der österreichische Migrationsexperte Gerald Knaus warnte am Samstag in diesem Zusammenhang in einem Radio-Interview davor, Angst vor einer möglichen Flüchtlingswelle aus Afghanistan zu schüren. Die heutige Situation sei nicht mit jener von 2015 zu vergleichen, betonte er im Ö1-„Mittagsjournal“.
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