„Krone“ vor Ort

Flucht vor Gewalt: Rückkehr der Kinder an Grenze

Burgenland
22.08.2021 09:55

Sie sind noch so klein, und auf der Flucht - Kinder fliehen vor Krieg und Gewalt. Jetzt schlagen sich wieder viele Familien aus Syrien bis nach Österreich durch. Immer mehr Flüchtlingsfamilien werden derzeit von Soldaten im Burgenland aufgelesen. Der Grenzübertritt bleibt illegal, Schlepperbanden kassieren ab. Doch wer kann diesen Knirpsen böse sein? Der „Krone“-Lokalaugenschein.

Millionen vom Schicksal leidgeprüfte Kinder sind weltweit auf der Suche nach einem neuen, sicheren Zuhause. Sieben davon aus Syrien saßen jetzt am frühen Morgen am Rande eines Ackers bei Lutzmannsburg. Mit ihren Eltern sind die Vier- bis Zehnjährigen über die ungarisch-österreichische Grenze ins Burgenland gekommen.

38 Flüchtlinge waren es insgesamt, die gemeinsam entlang eines Güterweges marschiert sind, bis sie von Polizisten in Empfang genommen wurden. Erleichtert atmeten die Familien auf. Sie waren froh, wohlbehalten in Österreich zu sein. Voller Freude falteten die Kinder ihre Hände, Zeige- und Mittelfinger wurden zu einem „V“, dem Victory-Zeichen, ausgestreckt. Das Wort, das am häufigsten zu hören war: „Asyl!“

Das Victory-Zeichen bei der Ankunft in Österreich nahe Lutzmannsburg (Bild: Christian Schulter, Krone KREATIV)
Das Victory-Zeichen bei der Ankunft in Österreich nahe Lutzmannsburg

„Jetzt nimmt die Zahl der Familien, die auf der Flucht sind, wieder stark zu“, sagen Soldaten auf Patrouille im Bezirk Oberpullendorf. Der Krieg zeigt in Syrien noch immer sein bitterböses Gesicht. „Wir haben Angst um unsere Kinder. Sie sollen ein Leben in Sicherheit haben“, so Mütter und Väter bei ihrer Ankunft in holprigem Englisch. Die Migrationsbewegungen laufen heute aber anders ab als im Jahr der großen Flüchtlingswelle 2015. Damals befanden sich Millionen von Syrern monatelang auf Fußmärschen von Asien nach Europa.

Im Jahr 2015 gab es mit Abstand die meisten Asylanträge in Österreich. Grund dafür waren die große Flüchtlingskrise und der zunächst ungehinderte Zustrom vor allem aus Syrien nach Mitteleuropa. Schon im folgenden Jahr wurden die Asylanträge im Vergleich zum Jahr davor mit 42.285 Fällen halbiert. Bis 2019 waren die Zahlen kontinuierlich im Sinken begriffen. Heuer waren es bis Ende Juni schon 10.518. Gemäß Prognose wird es 2021 also wieder hinaufgehen. (Bild: KREATIV)
Im Jahr 2015 gab es mit Abstand die meisten Asylanträge in Österreich. Grund dafür waren die große Flüchtlingskrise und der zunächst ungehinderte Zustrom vor allem aus Syrien nach Mitteleuropa. Schon im folgenden Jahr wurden die Asylanträge im Vergleich zum Jahr davor mit 42.285 Fällen halbiert. Bis 2019 waren die Zahlen kontinuierlich im Sinken begriffen. Heuer waren es bis Ende Juni schon 10.518. Gemäß Prognose wird es 2021 also wieder hinaufgehen.

Mittlerweile dauert die Tour nur wenige Wochen. „Montenegro gilt als Drehscheibe. Ganz legal fliegen Familien von dort nach Serbien oder Albanien, wo sie kein Visum benötigen“, berichten Beamte vor Ort. Erst dann beginnt der riskante Teil der Flucht. „In den Fängen von Schleppern werden die Familien oft per Van bis nach Ungarn transportiert und kurz vor der Grenze auf die Straße gesetzt. Den Rest gehen sie zu Fuß“, wissen Ermittler. Die Tour aus Serbien bis Österreich kostet Eltern pro Kopf 3500 Euro, für Kinder wird die Hälfte bezahlt. 6000 Euro will die Schlepper-Mafia für die ganze Strecke von Syrien aus.

Liebevoll umsorgt eine syrische Mutter ihr Baby im weichen Gras neben einem Güterweg. (Bild: Christian Schulter, Krone KREATIV)
Liebevoll umsorgt eine syrische Mutter ihr Baby im weichen Gras neben einem Güterweg.

Jene 38 Flüchtlinge, die in Lutzmannsburg gelandet sind, wurden von der Polizei zur Erstaufnahme nach Heiligenkreuz oder in andere Bundesländer gebracht. Kaum nahmen die Familien im Bus Platz, zückte jeder sofort sein Handy, tauschte Nachrichten mit Verwandten etwa in Deutschland aus, gab Informationen an Nachkommende weiter. Fern der Heimat hoffen alle auf einen Neubeginn. Hürden werden wohl nicht erspart bleiben.

Kleine Flüchtlinge mit dem Blick in eine ungewisse Zukunft (Bild: Christian Schulter, Krone KREATIV)
Kleine Flüchtlinge mit dem Blick in eine ungewisse Zukunft

Interview mit Gernot Gasser, Burgenlands Militärkommandant
„Die Schlepper sind extrem risikobereit“: Gernot Gasser analysiert im Interview mit „Krone“-Reporter Christoph Matzl die Lage an der Grenze

„Krone“: Herr Brigadier mit wie vielen Leuten steht das Bundesheer an der Grenze?
Gernot Gasser: In ganz Österreich sicher rund 1200 Soldaten die Grenze. Davon rund 800 im Burgenland, 150 in Kärnten, 180 in der Steiermark und 100 in Tirol.

Wie sind unsere Soldaten ausgerüstet?
Mit modernsten Nachtsichtgeräten. An neuralgischen Punkten wird eine Stichschutzweste sowie eine Pistole getragen.

Wie viele Aufgriffe gab es heuer im Burgenland?
Heuer wurden 7900 illegale Grenzgänger aufgegriffen. Seit 2017 hat sich die Zahl der Flüchtlinge pro Jahr verdoppelt. In der Mehrzahl kommen junge Syrer (44 Prozent) und Afghanen (20 Prozent), Frauen machen knapp acht Prozent aus und auch 188 Kinder wurden über die Grenze mitgenommen.

Brigadier Gernot Gasser (Bild: BH)
Brigadier Gernot Gasser

Wie agieren Schlepper?
Wegen der Covid-Kontrollen an den Grenzübergängen hat sich die Schlepperei an die grüne Grenze verlagert. Oft testen Vorausfahrzeuge, ob ein Feldweg passierbar sprich unkontrolliert ist. Allerdings sind die Lenker der meist geländegängigen Fahrzeuge extrem risikobereit. So etwa versuchen sie immer wieder im Affentempo Sperren zu durchbrechen, um einer Anhaltung zu entkommen. Es gab bereits Verfolgungsjagden, bei denen geschossen wurde.

Wie schätzen Sie die Lage jetzt nach dem Afghanistan-Debakel ein?
Direkt aus Kabul wird so schnell keine Flüchtlingswelle überschwappen. Es gibt viele Binnenflüchtlinge und Afghanen, die in Nachbarländern Schutz suchen. Allerdings befinden sich am Balkan und in Griechenland derzeit 70.000 Flüchtlinge. Darunter sind auch viele Afghanen, die schon seit zwei Jahren auf den Weg nach Zentraleuropa warten.

Und wie klappt die Koordination mit der Polizei?
Problemlos. Schwerpunktaktionen schweißen die Kräfte zusammen.

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