„Weniger Spielraum“

Experte zu 1G: Ohne Eingreifen wird es nicht gehen

Politik
24.08.2021 10:38

Die Regierung hat die 1G-Regel für den Herbst bereits in Aussicht gestellt, wenn die Zahlen weiter steigen. Das tun sie derzeit nicht nur bei den Neuinfektionszahlen, auch in den Spitälern geht es bei den Corona-Patienten wieder nach oben. Infektiologe Herwig Kollaritsch - auch Mitglied des Nationalen Impfgremiums - sieht, obwohl er „eigentlich kein großer Freund solcher Maßnahmen“ sei, „zunehmend weniger Spielraum“, als „auf etwas wie die 1G-Regel“ umzusteigen. Rechtlich gedeckt wäre die Einführung aus Expertensicht.

Aufgrund zahlreicher Impfskeptiker, die kaum über Aufklärung erreichbar seien, werde es ohne Eingreifen seitens der Politik nicht zu einer Verbesserung der aktuellen Corona-Situation kommen können, sagte Kollaritsch am Dienstag gegenüber dem Ö1-„Morgenjournal“. Dabei verwies Kollaritsch auf die zuletzt drastisch gesunkene Zahl an Erstimpfungen.

Dem Denken der Impfskeptiker sei mit rationalen Argumenten kaum beizukommen, durch den Austausch vor allem in den sozialen Medien entstehe eine Art Schneeballeffekt - „das ist sicherlich eines der größten Probleme“. Zwar solle man weiterhin versuchen, über Aufklärung und Kommunikation die Impfbereitschaft zu erhöhen, doch das „reine Sprechen darüber hilft offensichtlich nicht“.

Getestete „wesentlich höhere Infektionstreiber“ als Geimpfte
Kritik von Impfskeptikern, die ins Treffen führen, dass ja auch Geimpfte ansteckend sein können, hält Kollaritsch entgegen, dass getestete Personen wesentlich höhere Infektionstreiber seien als geimpfte Personen. Auch wenn Geimpfte, die sich doch infizieren, „über einen kürzeren Zeitraum massiv Virus ausscheiden können“, so würden sie wesentlich seltener infiziert und auch wesentlich seltener krank als Nicht-Geimpfte. Insgesamt spielen sie im epidemiologischen Geschehen eine wesentlich geringere Rolle - „und das ist der entscheidende Punkt“.

Herwig Kollaritsch, Virologe und Mitglied des Nationalen Impfgremiums (Bild: APA/ROLAND SCHLAGER)
Herwig Kollaritsch, Virologe und Mitglied des Nationalen Impfgremiums
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Es gibt kein Argument, dass getestet besser ist als geimpft.

Herwig Kollaritsch

Experten sehen 1G-Regel rechtlich gedeckt
Eine 1G-Regel kann laut dem Medizinrechtsexperten Karl Stöger übrigens jederzeit per Verordnung eingeführt werden - diese Ermächtigung finde sich im Covid 19-Maßnahmengesetz, wie er gegenüber Ö1 sagte. Diese Verordnung müsse allerdings - um vor einer möglichen Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof standzuhalten - medizinisch überzeugend begründen können, aber auch die Kosten für die Tests könnten eine Rolle spielen.

Auch Verfassungsrechtsexperte Heinz Maier hält eine 1G-Regel für rechtlich möglich und auch geboten, um die Geimpften von Beschränkungen zu befreien. Auch eine Impfpflicht sei verfassungsrechtlich zulässig, wenn es notwendig sei, um eine größere Gefahr für die Gesundheit von Menschen abzuwenden.

Menschen mit sehr hohen Antikörperspiegel „praktisch nicht infizierbar“
Gerade in Richtung Herbst sei nach Ansicht zahlreicher Experten mit einem erhöhten Infektionsdruck zu rechnen, weshalb auch Kollaritsch durch die Delta-Variante ein „sehr bedrohliches Szenario“ ortet. Daher sei es auch wichtig, dass genesene Personen sich möglichst rasch - frühestens ab vier Wochen und spätestens sechs Monate nach der Infektion - impfen lassen: „Wenn Genesene einmal geimpft werden, entwickeln sie einen exorbitant hohen Antikörperspiegel.“ Und man wisse bereits, dass jemand mit einem sehr hohen Antikörperspiegel „praktisch nicht infizierbar“ sei.

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