Flüchtlinge aus Afghanistan aufnehmen: Ja oder Nein? Wegen dieser Frage gehen derzeit die Wogen innerhalb der türkis-grünen Bundesregierung hoch. Vizekanzler Werner Kogler vermisst wegen der strikten Haltung der ÖVP, keine Flüchtlinge aufnehmen zu wollen, „die Menschlichkeit“. Außenminister Alexander Schallenberg konterte den Vorwurf prompt: „Wir dürfen nicht die Fehler von 2015 wiederholen und falsche Zeichen setzen“, meinte er am Mittwochnachmittag.
Wohl in Richtung der Kritiker persönlich sagte Schallenberg, es sei „das Wesen einer pluralistischen Demokratie, auch andere Meinungen und sachliche Argumente nicht pauschal abzuwerten und sich selbst dabei moralisch zu erhöhen“. Stattdessen sollte man die Energie in Sacharbeit investieren, „es liegen genügend Themen am Tisch, die abgearbeitet gehören“.
Kogler: „Schadet massiv dem Ansehen Österreichs in Europa“
Grund für seine Worte war eine Aussendung des Vizekanzlers. Der Grünen-Chef stellt sich nach steigender Kritik aus der eigenen Partei nämlich mehr und mehr gegen den Regierungskurs bei der Aufnahme von Flüchtlingen aus Afghanistan. Österreich sei international immer ein verlässlicher Partner gewesen, wenn es um Menschenrechte und humanitäre Hilfe geht, sagte er. Jetzt „aus offenbar taktischen Gründen“ einen anderen Weg einzuschlagen, „lässt angesichts der dramatischen Bedrohung gerade von Frauen und Kindern nicht nur die notwendige Menschlichkeit vermissen, sondern schadet auch massiv dem internationalen Ansehen Österreichs und unserer Rolle als verlässlicher Partner in Europa“, sagte Kogler in Richtung ÖVP.
Kogler greift Innen- und Außenminister direkt an
Und weiter: „Es ist wichtig, dass der Innen- und der Außenminister auf dem festen Boden der Verfassung und Menschenrechtskonvention wieder aktiv an einer Lösung arbeiten, die dieser Rolle Österreichs in Europa gerecht wird und Österreich nicht noch weiter in der europäischen Gemeinschaft isoliert“, richtete Kogler seinen türkisen Kollegen in den jeweiligen Ressorts aus. Jetzt müsse alles auf europäischer Ebene Mögliche getan werden, anstatt „fortwährend über rechtlich Unmögliches“ zu diskutieren.
Grüner Landesrat bezeichnet ÖVP-Haltung als „Schande“
Bereits am Mittwochvormittag hatte Vorarlbergs Grünen-Landesrat Johannes Rauch die Weigerung der ÖVP, Flüchtlinge aus Afghanistan aufzunehmen, im Ö1-„Morgenjournal“ als „eine Schande“ bezeichnet. Auch wenn es seitens der ÖVP üblich sei, vor Parteitagen oder vor Landtagswahlen wie jetzt in Oberösterreich, „Geräusche zu machen“, so sei das im Hinblick auf Afghanistan „jenseitig“ und „zurückzuweisen“, so Rauch. Das werde von Kogler auch so gesehen, versicherte er vor dem Statement seines Parteichefs.
Wöginger: „Flüchtlingswelle wie 2015 könnte Österreich überrollen“
Diese Kritik wies ÖVP-Klubobman August Wöginger zurück: Rauch solle „seine Energie in Sacharbeit investieren und nicht in Streit“, richtete Wöginger dem Grünen Landesrat im Ö1-„Mittagsjournal“ aus. Er halte auch wenig davon, „den politischen Mitbewerber herabzuwürdigen und ihm moralische Werte abzusprechen,“, sagte der ÖVP-Klubobmann in ähnlichen Worten wie Schallenberg. Auch Wöginger warnte davor, dass eine weitere „Flüchtlingswelle“ wie jene im Jahr 2015 Österreich „überrollen“ könnte.
„Zuversichtlich, dass Koalition zu Lösungen kommen wird“
Er zeigte sich zuversichtlich, dass die türkis-grüne Koalition so wie bisher bei unterschiedlichen Positionen auch hier zu Lösungen kommen werde. Die Frage des koalitionsfreien Raums steht für ihn dabei nicht zur Diskussion.
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