Keine Hilfe kommt an
Polen: Migranten sitzen seit zwei Wochen an Grenze
An der polnisch-weißrussischen Grenze spielt sich derzeit ein humanitäres Drama ab. Denn seit zwei Wochen sind rund 24 Migranten nahe der Ortschaft Usnarz Gorny von Sicherheitskräften eingekesselt und sitzen fest. Berichten zufolge erhalten sie weder Wasser noch Lebensmittel, ernähren sich von trockenem Brot und trinken aus einem Kanal. Ein polnischer Abgeordneter versuchte, mit Medikamenten und Lebensmitteln zu der Gruppe vorzudringen - doch auch er wurde gestoppt.
Videoaufnahmen zeigen, wie Franek Sterczewski mit einem Sack voller Medikamente und Lebensmittel versucht, den Kessel der Sicherheitskräfte zu durchbrechen. Doch er wird gestoppt und geht zu Boden, bevor er die Männer erreichen kann. Das UNO-Flüchtlingshochkommissariat appellierte am Dienstag an die Regierung in Warschau, die Menschen auf polnisches Gebiet zu lassen und ihnen medizinische und juristische Hilfe zukommen zu lassen.
Weißrussland schlachtet die Bilder aus
Staatliche weißrussische Medien schlachten die Bilder von der „humanitären Katastrophe“ beim westlichen Nachbarn genüsslich aus. Und der weißrussische Machthaber Alexander Lukaschenko selbst warf den Polen am Montag vor, sie hätten einen Konflikt an der Grenze angezettelt und die Staatsgrenze von Belarus verletzt. Die Polen hätten auf ihrem Gebiet „50 Leute eingefangen, die (...) nach Deutschland wollten, wohin Mutter Merkel sie gerufen hatte“, spottete er. Diese seien dann unter Androhung von Waffengewalt auf weißrussisches Gebiet getrieben worden.
Polen treibt Zaunbau voran
Polen treibt derzeit seinen Zaunbau an der Grenze zu Weißrussland voran. Ingenieure der polnischen Armee hätten die Sperre mit einer Höhe von 2,50 Metern bereits geplant, Soldaten würden die Ausführung übernehmen, sagte Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak am Dienstag im öffentlich-rechtlichen Radio.
Bereits in den kommenden Tagen würden die Arbeiten beginnen, ergänzte Ministerpräsident Mateusz Morawiecki nach seinem Besuch beim Grenzschutz in Kuznica nahe Bialystok. Die Kosten für den Zaun werde Polen selbst tragen, finanzielle Hilfe aus Brüssel sei nicht notwendig. Polens 418 Kilometer lange Grenze zu Weißrussland ist zugleich auch eine Außengrenze der EU.
Schutz vor Lukaschenkos Launen?
Der geplante Zaun ist Polens hastiger Versuch, sich vor den Launen und Einfällen des weißrussischen Machthabers Lukaschenko zu schützen. Der hat in Minsk mehrfach erklärt, dass seine Grenzschützer die Migranten nicht mehr an der Weiterreise in die EU hindern werden - als Reaktion auf verschärfte westliche Sanktionen gegen die isolierte Ex-Sowjetrepublik. „Wir müssen vorbereitet sein auf jede Art von Provokation, auf beispiellose und ungewöhnliche Aktionen des belarussischen Regimes“, warnte Morawiecki.
Plötzlicher Andrang in baltischen Staaten
Zunächst hatte vor allem die kleine Baltenrepublik Litauen mit einem Andrang von Migranten aus dem Nahen Osten zu kämpfen. Seit Mai überquerten mehr als 4100 Flüchtlinge illegal die grüne Grenze zu Weißrussland, im gesamten Vorjahr griff der Grenzschutz dort 81 Migranten auf. Doch Anfang August begannen die Litauer, die Flüchtlinge abzuweisen. Die Lage an ihrer Grenze hat sich dadurch stabilisiert. In den vergangenen 24 Stunden seien weniger als zehn Migranten von einem Grenzübertritt abgehalten worden, teilten die Behörden am Dienstag mit. Auch Litauen will einen Zaun bauen.
Nun wächst der Druck auf Polen: Nach Angaben der Grenzschützer versuchten allein im August mehr als 2100 Migranten illegal über Belarus nach Polen vorzudringen. Im gesamten vergangenen Jahr wurden an diesem Grenzabschnitt etwas über hundert Flüchtlinge registriert.
„Versuch, die EU und Polen zu destabilisieren“
Die Baltenländer Litauen, Lettland, Estland und Polen machen Lukaschenko für den plötzlichen Andrang verantwortlich. In einer gemeinsamen Erklärung verurteilten sie am Montag dessen „politisch arrangierte Operation“. In die gleiche Kerbe schlug Polens Verteidigungsminister Blaszczak: „Wir haben es hier mit einem Angriff auf Polen zu tun, man kann sagen, es handelt sich um einen hybriden Krieg. Es ist der Versuch, die EU und Polen zu destabilisieren.“
Polnische Medien sind voll von Berichten darüber, dass eine Tourismusagentur von Lukaschenkos Präsidialverwaltung in Krisenregionen wie dem Irak und Afghanistan für die vermeintlich sichere Passage über Minsk in die EU werben lasse. Kommentatoren in Warschau sind sich einig: Es geht Lukaschenko auch um Rache. Denn nach den Massenprotesten gegen die weithin als gefälscht angesehene Präsidentenwahl vom 9. August 2020 haben sowohl Litauen als auch Polen viele Oppositionelle aus Weißrussland aufgenommen.
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