13 US-Soldaten tot
IS-Bombenterror während letzter Evakuierungsflüge
Die Lage in Afghanistan ist am Donnerstag vollends eskaliert: Außerhalb des Flughafens der Hauptstadt Kabul kam es zu zwei Explosionen, IS-Kämpfer eröffneten das Feuer auf Zivilisten und Soldaten. Nach Angaben der USA kamen 13 US-Soldaten ums Leben, laut dem „Wall Street Journal“ starben zudem mindestens 60 Zivilisten - darunter auch Kinder. Zahlreiche Menschen, teils aus dem Ausland, dürften verletzt worden sein. Laut Außenministerium sind keine Österreicher unter den Opfern.
Vor dem Flughafen hatte es zwei Explosionen gegeben - eine an einem der Tore und eine bei einem nahe gelegenen Hotel. Ein Augenzeuge erzählte dem lokalen TV-Sender ToloNews, die Explosion am Tor sei sehr stark gewesen. Manche Menschen seien ins Wasser - an einem Gate ist ein langer Wassergraben - und mehrere ausländische Soldaten zu Boden gefallen. Er habe auch Tote gesehen.
IS-Kämpfer eröffneten Feuer auf Zivilisten und Soldaten
US-General Kenneth McKenzie, der das Zentralkommando Centcom führt, bestätigte in einer Videoschaltung mit Journalisten im Pentagon, dass 13 US-Soldaten ums Leben gekommen seien, 15 weitere seien verletzt worden. Laut Nachrichtenagentur AP handelt es sich bei den Todesopfern um elf Marines und einen Navy-Arzt. Der Angriff sei von mindestens zwei Selbstmordattentätern ausgeführt worden, sagt McKenzie. Nach den Detonationen hätten eine Reihe von IS-Kämpfern das Feuer auf Zivilisten und Soldaten eröffnet.
IS bekannte sich zu Doppelanschlag
Der in Afghanistan aktive Ableger des Islamischen Staat, der IS-Khorasan, reklamierte den Anschlag am Abend auf dem Kommunikationskanal Telegram für sich. Die US-Regierung war laut eines Insiders bereits bald nach dem Doppelanschlag davon ausgegangen, dass die Extremistengruppe hinter dem Angriff steckt. Laut McKenzie sei mit weiteren Anschlägen der Gruppe zu rechnen. Dass die militant-isamistischen Taliban ihre Finger im Spiel hatten, glaubten die USA nicht.
Die USA würden jedoch dessen ungeachtet den Evakuierungseinsatz zu Ende führen. In Afghanistan dürften sich noch etwa tausend US-Bürger aufhalten.
„Unsere Gedanken gelten den Angehörigen der Toten“
Die nun getöteten US-Soldaten sind die ersten US-amerikanischen Soldaten, die seit dem Abkommen der USA mit den Taliban im Februar 2020 gewaltsam in Afghanistan ums Leben kamen. „Unsere Gedanken und Gebete gelten den Angehörigen und Kameraden der Toten und Verletzten“, erklärte Pentagon-Sprecher John Kirby. Deutschland, Italien, Großbritannien und die Türkei erklärten, es seien keine Soldaten aus ihren Ländern unter den Opfern.
Das „Wall Street Journal“ schreibt von mindestens 60 getöteten Zivilisten, die Taliban sprachen von 28 Todesopfern. Ein Vertreter der Taliban verurteilte den Doppelanschlag: „Angriffe auf unschuldige Zivilisten sind Terrorakte.“ Dass solche Angriffe stattfänden, liege an der Anwesenheit ausländischer Truppen. Bereits in den vergangenen Tagen hatte es zunehmend Warnungen vor Terroranschlägen rund um den Flughafen in Kabul gegeben.
Weitere starke Explosion: „US-Truppen sprengten Munition“
Für Aufregung sorgte auch eine weitere starke Explosion am frühen Freitagmorgen Ortszeit. Zwei Anwohner aus Kabul sowie ein Mitarbeiter der Nachrichtenagentur AFP berichteten von dem Geräusch einer schweren Detonation, die sich in einer Gegend drei bis vier Kilometer von Flughafen entfernt ereignet habe, wo nur Stunden zuvor der verheerende Doppelanschlag zahlreiche Opfer forderte. Taliban-Sprecher Zabihullah Mujahid erklärte, die laute Explosion in Kabul gehe darauf zurück, dass die US-Truppen Munition sprengten, „Bürger Kabuls sollten nicht besorgt sein“.
Tränengas kam zum Einsatz
Auch in den sozialen Medien wurden Fotos verbreitet, die Szenen aus Kabul zeigen sollen. Nach der Explosion hätten US-Soldaten an einem anderen Gate Tränengas eingesetzt, um die Menschen auseinanderzutreiben, sagte ein Bewohner Kabuls, der an diesem Tor war. Er schätzte, zu dem Zeitpunkt seien dort 2000 bis 4000 Menschen gestanden. Mehrere Frauen und Mädchen seien durch das Tränengas verletzt worden.
Der gut vernetzte afghanische Journalist Bilal Sarwari schrieb auf Twitter, ein Selbstmordattentäter habe sich in einer großen Menschenmenge in die Luft gesprengt. Mindestens ein weiterer Angreifer habe danach das Feuer eröffnet. Sarwari berief sich auf mehrere Augenzeugen in dem Gebiet.
Evakuierungsflüge eingestellt
Wie die „Krone“ kurz vor den Explosionen erfuhr, stellen nicht nur Deutschland, Spanien, die Niederlande und zahlreiche andere westlichen Länder mit dem heutigen Donnerstag ihre Evakuierungsflüge aus Kabul ein. Auch die USA und Großbritannien, die eigentlich bis 31. August evakuieren wollten, würden die Rettung von Zivilisten demnächst beenden, hieß es. Wie das österreichische Außenministerium mitteilte, arbeite das Krisenteam vor Ort weiterhin vehement daran, Österreicher und Afghanen mit einem Aufenthaltstitel in Österreich auf Evakuierungsflügen westlicher Staaten unterzubringen.
Lesen Sie auch:
UN-Generalsekretär lädt Vetomächte zu Krisensitzung ein
Angesichts der chaotischen Situation und der angespannten Sicherheitslage in Afghanistan lud UN-Generalsekretär Antonio Guterres die Vetomächte zu einem Krisentreffen ein. Diplomatenkreisen zufolge sollen die Botschafter der USA, Chinas, Russlands, Großbritanniens und Frankreichs am Montag in New York mit dem UN-Chef zusammenkommen, um sich über die Lage auszutauschen.
Unterdessen brechen immer mehr Afghanen in Richtung Pakistan auf. Täglich überquerten mindestens 10.000 Afghanen die Grenze bei Spin Boldak/Khaman, sagte ein Grenzbeamter der dpa. Zuvor seien es an normalen Tagen etwa 4000 gewesen. Die meisten seien auf dem Weg zu Verwandten in Städten und Regionen unweit der Grenze. Pakistan hat seit 40 Jahren Millionen afghanische Flüchtlinge aufgenommen. Aktuell sind es 1,4 Millionen Afghanen, die als Flüchtlinge offiziell registriert sind, und etwa 600.000 undokumentierte Afghanen.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.