Pressespiegel
„Anschlag in Kabul dreht die Uhr 20 Jahre zurück“
Mehr als 100 Menschen - darunter viele Frauen und Kinder, aber auch 13 US-Soldaten und 28 Taliban-Kämpfer - sind bei dem hinterhältigen Doppelanschlag vor einem der Tore des Kabuler Flughafens sowie bei einem Hotel in der Nähe ums Leben kommen. Inmitten der doch noch auf Ausreise Hoffenden sprengten sich Selbstmordattentäter des afghanischen IS-Ablegers in die Luft, bewaffnete Kämpfer eröffneten anschließend das Feuer und schossen auch auf die Zivilisten. Dieser „ungeheuerliche Akt der Grausamkeit“ drehe die Uhr „20 Jahre zurück“, schreibt die italienische „La Stampa“, die spanische „El Mundo“ ist sicher: „Die Machtübernahme der Taliban verleiht dem dschihadistischen Terrorismus Flügel.“ Lesen Sie hier weitere Pressestimmen zum Afghanistan-Terror.
Was moralisch ein Akt des Bösen war - vorhersehbar und sogar vorhergesagt - stellt in operativer Hinsicht eine schädliche Sicherheitslücke dar. Diese muss behoben werden, zumal US-Beamte offen gesagt haben, dass die terroristische Bedrohung lange noch nicht vorbei ist.
„Washington Post“
Die Taliban haben den Angriff verurteilt. (…) Und vielleicht ist die Empörung der Taliban aufrichtig, trotz all des unschuldigen Blutes, amerikanisches und afghanisches, das sie im Laufe der Jahre vergossen haben. Dennoch konnten zwei Selbstmordattentäter und zusätzliche bewaffnete Männer zuschlagen, während die Taliban die Verantwortung für die Sicherung der Umgebung des Flughafens hatten, einschließlich der Durchsuchung sich nähernder Menschen und Fahrzeuge. Das Risiko, das die Biden-Regierung - wenn auch notwendigerweise - eingegangen ist, indem sie sich auf die Taliban verließ, hat die von vielen befürchteten Folgen gehabt.
„Washington Post“
Die Bomben gegen die verzweifelte zusammengedrängte Menge am Flughafen Kabul sind nicht nur ein ungeheuerlicher Akt der Grausamkeit, an die wir uns durch Al-Kaida und den IS auf traurige Weise gewöhnt haben. Sie sind eine gewichtige politische Geste, die die Uhr 20 Jahre zurückdreht. Sie wischen die Voraussetzungen der amerikanischen Entscheidung für einen Abzug aus Afghanistan weg: die Niederlage und die Entwurzelung des Terrorismus. Und auch die Amerikaner haben einen sehr hohen Preis an Menschenleben bezahlt. 20 Jahre nach den Anschlägen vom 11. September kehrt der Terror in Afghanistan nach Hause zurück. Während die USA und der Westen sich aus Afghanistan zurückziehen. Wir sind plötzlich wieder zurück am 10. September 2001, nachdem wir den Terrorismus 20 Jahre lang mit enormen Opfern bekämpft haben.
„La Stampa" (Turin)
Die Anschläge in Kabul zeigen, welche Risiken das Ende der US-Mission mit sich bringt. Die Machtübernahme der Taliban verleiht dem dschihadistischen Terrorismus Flügel. Er verfügt nun in Afghanistan über ein islamisches Emirat, das für ihn als Referenz gilt. Hinzu kommt ein unvermeidliches Gefühl der Hilflosigkeit, der strategischen Schwäche, das auf das ungeschickte Vorgehen von Joe Biden seit Beginn der fundamentalistischen Offensive zurückzuführen ist. All dies hat zu einem Chaos geführt, das nun auch das Ende der Evakuierungsbemühungen herbeizwingt.
„El Mundo" (Madrid)
Diese Gräueltat unterstreicht nur das ganze Ausmaß der Niederlage des Westens und das klägliche und vermeidbare Debakel des Abzugs. Eine Operation, die vor 20 Jahren als Reaktion auf die Anschläge vom 11. September auf Amerika begonnen wurde, endete mit der Tötung weiterer Amerikaner durch Terroristen in Afghanistan.
„The Times" (London)
Das Ende der Evakuierungen aus Afghanistan ist der traurige Höhepunkt eines grotesken Versagens der westlichen Regierungen. Hauptschuldiger ist US-Präsident Joe Biden, der ohne gründliche Vorbereitung zum Abzug blies und die Welt damit noch unsicherer gemacht hat.
„De Telegraaf" (Amsterdam)
Nach den tumultartigen Szenen am Flughafen drohen auch im Rest des Landes chaotische Verhältnisse. Bisher ist es dort relativ ruhig geblieben, selbst in der Hauptstadt Kabul. Doch wie lange wird diese Ruhe noch andauern? Werden Terrorgruppen, welche auch immer, weitere Anschläge verüben und das Chaos noch verstärken? Die USA und Europa müssten neue Möglichkeiten finden, Einfluss auf die Taliban und die Politik in Afghanistan auszuüben. Unter diesen Umständen ist das jedoch eine nahezu unmöglich zu erfüllende Aufgabe. Damit ist die Niederlage in Afghanistan komplett.
„De Tijd" (Brüssel)
Am Flughafen von Kabul kam es zu einer Reihe von Terroranschlägen, die den normalen Betrieb, das heißt die Lieferung humanitärer Hilfe an das Land, gefährden. Bereits im September muss sich die Weltgemeinschaft entscheiden: Entweder die Ordnung wiederherzustellen, das heißt auch die Beziehungen zu den Taliban zu verbessern. Oder sich auf die Folgen einer drohenden humanitären Katastrophe in Afghanistan vorzubereiten. Millionen Afghanen werden aus dem Land fliehen - nicht allein wegen der Unterdrückung durch die Taliban oder wegen der Kämpfe, sondern um dem Hunger zu entkommen. Zudem droht ein starker Anstieg der Coronavirus-Infektionen."
„Nesawissimaja Gaseta" (Moskau)
Joe Biden glaubt, je früher die USA das Land verlassen, desto besser. Also besser für das amerikanische Volk. Er will um jeden Preis den sogenannten längsten Krieg der USA beenden. Als Joe Biden sein Amt antrat, sagte er „America is back“, nach Trumps Präsidentschaft. Aber in Afghanistan gilt immer noch „America first“, also dieselbe Politik, die Trump verfolgte, bei der das amerikanische Volk an erster Stelle steht. (...) Für die USA bedeutet der Rückzug einen großen Prestigeverlust. Die Welt mochte „America first“ nicht, als Donald Trump Politik machte. Und es ist auch jetzt nicht populär geworden.
„Aftonbladet" (Stockholm)
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