Der über das Ibiza-Video gestürzte Ex-FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache ist am Freitag am Wiener Landesgericht nicht rechtskräftig wegen Bestechlichkeit zu 15 Monaten bedingter Haft verurteilt worden. Es war ein neuerlicher Tiefschlag in der einst so erfolgreichen Karriere des ehemaligen FPÖ-Chefs. „Wir haben heute ein erstinstanzliches Urteil erfahren, dass mich einerseits zutiefst überrascht, aber auch schockiert hat“, gab sich Strache zerknirscht. Sein Verteidiger kündigte Berufung an. Martin Kreutner vom Antikorruptionsvolksbegehren jubelte: „Heute ist ein guter Tag im Kampf gegen die politische Korruption in Österreich.“
Strache sprach nach der Verhandlung von einem „Fehlurteil“. Das Gericht habe einen Konnex zwischen einer Parteispende und seinem Handeln hergestellt, den es nachweislich nicht gebe.
Verteidiger: „Ich hätte es anders gesehen“
Strache-Verteidiger Johann Pauer meinte, das Wiener Oberlandesgericht (OLG) werde als Rechtsmittelinstanz beurteilen, ob die Rechtsauffassung des Erstgerichts zutreffend sei: „Ich hätte es anders gesehen.“ Pauer betonte, die Richterin habe „ein faires Verfahren, ruhig und sachlich“ geführt. Weiters merkte Pauer an, vom Gericht sei festgestellt worden, „dass sich mein Mandant nicht vorsätzlich bereichert hat“. Der Schuldspruch habe sich „auf geringe Parteispenden“ beschränkt.
Oberstaatsanwalt: „Jeder Euro ist zu viel“
Oberstaatsanwalt Bernhard Weratschnig wies die Darstellung der Verteidigung zurück und betonte, Strache habe als Politiker eine besondere Verantwortung. „Jeder Euro ist zu viel.“
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Richterin: „Keinerlei Zweifel“
Auch Richterin Claudia Moravec-Loidolt fand klare Worte: „Für die Bezahlung eines Abgeordneten, der später Vizekanzler wird, gibt es keine Rechtfertigung und darf es keine Rechtfertigung geben“, begründete sie ihr Urteil. „Die Chronologie der Ereignisse“ lasse „keinerlei Zweifel“ am Tatbestand der Korruption. Es sei „unglaubwürdig“, dass der damalige Chef der FPÖ nichts über Spenden an seine Partei gewusst habe.
Zwei Spenden an FPÖ im Fokus
Strache und der mitangeklagte Walter Grubmüller (Eigentümer der Privatklinik Währing) wurden im Zusammenhang mit zwei Überweisungen Grubmüllers an die Bundes-FPÖ vom Oktober 2016 bzw. August 2017 schuldig erkannt, die erste in Höhe von 2000 Euro, die zweite in Höhe von 10.000 Euro. Strache wurde jedoch vom Vorwurf freigesprochen, er habe sich außerdem von Grubmüller zu einem Korfu-Urlaub einladen lassen. Grubmüller wurde wegen Bestechung zu zwölf Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Die beiden Angeklagten hatten vor Gericht bis zuletzt die Vorwürfe bestritten.
„Richtungsweisende Entscheidung“
Eine „richtungsweisende Entscheidung“ stellt die vorerst nicht rechtskräftige Verurteilung des ehemaligen Vizekanzlers für Martin Kreutner vom Rechtsstaat & Anti-Korruptionsvolksbegehren dar. Dies sei aber „nur ein Anfang“ hieß es in einer Aussendung. Die juristische Aufarbeitung des „systematischen Machtmissbrauchs“ in der türkis-blauen Regierungsperiode habe erst begonnen. „Bestechung und Bestechlichkeit sind ein Gift für jedes Gemeinwesen, denn sie untergraben das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik, die Verwaltung und den Rechtsstaat.“ Insofern sei es „erfreulich, dass ein Teil dieses Vertrauens heute wiederhergestellt wurde“.
Jan Krainer: „Unter Türkis-Blau konnte man sich Gesetze kaufen“
Für den SPÖ-Fraktionsführer im Ibiza-Untersuchungsausschuss Jan Krainer bestätigt das Urteil, dass man „sich unter Türkis-Blau Gesetze kaufen konnte.“ „Wenn ÖVP und FPÖ miteinander regieren gibt es immer und immer wieder nur zwei Stationen: Regierungsbank und Anklagebank“, meinte Krainer.
Er rechnet damit, dass das Urteil gegen Strache auch seine Schatten auf weitere anstehende Prozesse gegen Ex-Finanzminister Hartwig Löger und den amtierenden Chef des Finanzressorts, Gernot Blümel (beide ÖVP), werfen wird.
„Weitere wichtige Etappe beim Selbstreinigungsprozess nach Ibiza“
Krainers Grünes Pendant Nina Tomaselli sprach von einer „weiteren wichtigen Etappe beim Selbstreinigungsprozess nach Ibiza“. Möglich geworden sei diese aufgrund einer starken, unabhängigen Justiz. „Ein funktionierender Rechtsstaat ist ein Korruptionsschutzschild. Die Grünen mit Alma Zadic als Justizministerin werden alles dafür tun, dass das so bleibt“, so Tomaselli in einer Aussendung.
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