Bald erneut IS-Terror?
Kabul-Anschlag forderte bis zu 170 Todesopfer
Es war der wohl tödlichste Tag seit Langem in der afghanischen Hauptstadt: Bei dem Attentat nahe dem Flughafen von Kabul wurden bis zu 170 Menschen getötet, darunter 13 US-Soldaten, aber auch zahlreiche Frauen und Kinder. Die USA flogen einen Vergeltungsangriff, doch Beobachter und Experten erwarten, dass es in nächster Zeit wieder Anschläge eines Ablegers der Terrormiliz Islamischer Staat geben wird. Die Leidtragenden des Terrorismus sind die Menschen in dem ohnedies gebeutelten Land.
Nach dem IS-Selbstmordattentat vor einem Tor des Flughafens in Kabul berichteten die „New York Times“ und andere US-Medien unter Berufung auf Mitarbeiter der Gesundheitsbehörden von bis zu 170 Toten. Die USA setzen ihre Evakuierungsflüge noch bis 31. August fort.
Bereits 112.000 Menschen ausgeflogen
Eine Sprecherin des Weißen Hauses teilte mit, bis Samstagvormittag (Ortszeit) habe die US-Luftwaffe mit 32 Flügen rund 4000 Menschen in Sicherheit gebracht, Flugzeuge von Verbündeten hätten rund 2800 Menschen evakuiert. Seit dem Start des Einsatzes Mitte August hätten die Vereinigten Staaten und ihre Partner damit insgesamt rund 112.000 Menschen ausgeflogen. Das US-Militär will seine zuletzt rund 5000 Soldaten bis Dienstag vom Flughafen der afghanischen Hauptstadt abziehen. Damit wird der Einsatz zur Evakuierung westlicher Staatsbürger und früherer afghanischer Mitarbeiter ausländischer Truppen und Einrichtungen enden.
„Zwei, drei“ Zugänge zum Flughafen seien in der Nacht auf Samstag von den USA an Kräfte der Taliban übergeben worden, so einer ihrer Vertreter am Samstag. Der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, John Kirby, hatte eine derartige Übergabe nach ersten Medienberichten darüber in der Nacht auf Samstag allerdings vehement dementiert.
USA: Drohnenangriff als Vergeltungsschlag
Die USA griffen am Freitag ein Ziel in der Provinz Nangarhar an der Grenze zu Pakistan an. Ein Vertreter der US-Regierung, der nicht genannt werden wollte, sagte, mit einer Drohne vom Typ Reaper sei ein Wagen angegriffen worden. Darin seien ein Planer des Attentats in Kabul und ein IS-Mitglied gewesen. Augenzeugen in Jalalabad, der Hauptstadt von Nangarhar, berichteten von Explosionen in der Umgebung der Stadt. Ein Gemeindevorsteher in Jalalabad sagte, dabei seien drei Menschen getötet und vier verletzt worden. „Frauen und Kinder sind unter den Opfern“, so Malik Adib, der nach eigenen Angaben von den Taliban mit der Untersuchung des Vorfalls beauftragt wurde.
Mehrere Verbündete der USA, darunter Deutschland, hatten am Freitag ihren Rückzug abgeschlossen. Auch Großbritannien hat die Evakuierung von Zivilisten aus Afghanistan eigentlich beendet. Wie das Verteidigungsministerium mitteilte, plane das Land keine weiteren Flüge für Zivilisten mehr. Fortgesetzt würden allerdings Flüge aus Kabul für britische Militärangehörige, bei denen auch eine kleine Anzahl an Afghanen mitgenommen werde. Italien flog laut eigenen Angaben mehr bedrohte afghanische Bürger aus Kabul aus als jedes andere EU-Mitgliedsland.
Weitere IS-Attentate befürchtet
US-Verteidigungsministeriums-Sprecher Kirby erklärte weiter, dass es „spezifische und glaubhafte“ Hinweise auf weitere Attentate gebe. Die US-Regierung teilte mit, der Abschluss sei sehr wahrscheinlich die gefährlichste Phase des gesamten Einsatzes. Nach Angaben von Armee-Mitgliedern wird die Gefahr umso größer, je weniger Soldaten am Flughafen sind. Man werde mit den radikalislamischen Taliban nach dem Truppenabzug in manchen Bereichen zusammenarbeiten müssen, um weitere Ausreisen zu ermöglichen, postulierte US-Regierungssprecherin Jen Psaki.
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und der britische Premierminister Boris Johnson sprachen unterdessen über die Lage in Afghanistan. Beide seien übereingekommen, dass internationale Hilfe und ein gemeinsamer Ansatz der in der G7-Gruppe organisierten Industriestaaten notwendig seien, hieß es aus Johnsons Büro. Großbritannien hat gegenwärtig den Vorsitz der G7. Johnson betonte, eine Zusammenarbeit mit den Taliban müsse unter der Bedingung stehen, dass diese Ausreisewillige aus dem Land ließen und die Menschenrechte beachteten.
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