„Positive Resonanz“

16.600 NS-Vertriebene wollen österreichischen Pass

Österreich
29.08.2021 06:01

Eine Novelle des Staatsbürgerschaftsgesetzes machte es möglich: Seit exakt einem Jahr haben Vertriebene des NS-Regimes - und ihre Nachfahren - die Möglichkeit, relativ unbürokratisch den österreichischen Pass zu beantragen. 16.600 Personen stellten einen Antrag, die meisten davon aus Israel, England und den USA.

Die Republik Österreich setzte mit der Initiative einen bewussten Schritt der Versöhnung mit der alten Heimat, „und die Resonanz aus aller Welt ist überwältigend“, so Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde. Der überwiegende Teil der Anträge auf Staatsbürgerschaft wurde in den Botschaften in Tel Aviv, London und Washington DC gestellt.

Oskar Deutsch (Bild: SEPA.Media | Martin Juen)
Oskar Deutsch
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Die Restituierung der Staatsbürgerschaft hat sich als einmaliger Brückenschlag erwiesen, zumal die positive Resonanz überwältigend ist.

Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde

Es gilt, Betroffenen die Möglichkeit zu geben, einen Teil ihrer Identität zurückzuerlangen, heißt es dazu aus dem Außenministerium. Von einem historischen Brückenschlag und Händereichen ist die Rede.

Martin Weiss, Österreichs Botschafter in den USA (li.), nahm den ersten Antrag in Washington DC persönlich entgegen. (Bild: Austrian Embassy)
Martin Weiss, Österreichs Botschafter in den USA (li.), nahm den ersten Antrag in Washington DC persönlich entgegen.

Verschiedenste Beweggründe 
Wie sich schon im ersten Jahr nach der Gesetzesnovelle zeigt, gibt es verschiedenste Beweggründe für Vertriebene und ihre Nachfahren, sich den rot-weiß-roten Pass zu besorgen. Einige dieser Geschichten sollen jetzt in einem Buch zusammengefasst werden: „Wir wollen ausgewählte Porträts zeigen, um das, was in der Öffentlichkeit als Gesetzesparagraf wahrgenommen wird, mit Leben zu erfüllen“, kündigt Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP)an.

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Uns erreichen Geschichten zu berührenden Schicksalen von Menschen aller Altersgruppen, die sich entschlossen haben, österreichische Staatsbürger zu werden.

Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP)

Alexander Schallenberg (Bild: (c) Leopold Nekula/VIENNAERPORT)
Alexander Schallenberg

Federführend bei den Einbürgerungen ist übrigens die Wiener Magistratsabteilung 35. Sie war zuletzt wegen Inkompetenz negativ in die Schlagzeilen geraten. Von den 16.600 Anträgen von NS-Hinterbliebenen wurde aber bereits mehr als ein Drittel positiv abgewickelt.

Antisemitische Vorfälle steigen rasant
Ob die zahlreichen Antragsteller aber dennoch österreichische Staatsbürger werden wollen? Wie nämlich aus einem Rohbericht über antisemitische Vorfälle hervorgeht, sind die Zahlen im ersten Halbjahr 2021 regelrecht explodiert. Als Hauptgrund wird die Pandemie samt Verschwörungstheorien und rechten Demos angeführt. Wie das „profil“ in seiner aktuellen Ausgabe berichtet, gab es allein im April mehr als 100 antisemitische Vorfälle. Das sind doppelt so viele als im Vergleichsmonat 2020 - und ist gleichzeitig ein Negativ-Rekord.

„Im Mai ging es in dieser Rekordhöhe weiter“, erklärte Deutsch gegenüber dem Nachrichtenmagazin. Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde macht dafür unter anderem die Anti-Corona-Demos und das zögerliche Einschreiten der Polizei dabei verantwortlich: „Bei Sieg-Heil-Rufen ist eine Grenze erreicht. Da ist es Aufgabe der Polizei zu ahnden. Das ist kein Kavaliersdelikt“, kritisiert Deutsch.

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) sieht Antisemitismus auch durch die Corona-Pandemie befeuert. (Bild: APA/HELMUT FOHRINGER)
Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) sieht Antisemitismus auch durch die Corona-Pandemie befeuert.

Auch Verfassungsministerin Karoline Edtstadler sieht Verschwörungstheorien und Antisemitismus durch die Pandemie befeuert. Und findet laut dem Bericht politisch Verantwortliche: „Während der Pandemie demonstrierten auch Antisemiten, und Herbert Kickl (FPÖ-Chef, Anm.) spielte eine verabscheuungswürdige Rolle.“

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