Identitätsstiftend

Warum die Jugend über die Stränge schlagen muss

Der Angeklagte droht, die Großdisco zu sprengen.

(Bild: ©Blue Planet Studio - stock.adobe.com)

Auch wenn es viele Erwachsene nicht wahrhaben wollen: Partymachen und Freunde treffen ist für junge Menschen Teil der Identitätsfindung. In Zeiten der Pandemie sind Jugendliche allerdings stark eingeschränkt. Daher ist es nur gesund, wenn sie sich gegen die Regeln auflehnen und pragmatische Lösungen finden. 

Seitdem am 22. Juli die 2G-Regel in der Nachtgastronomie eingeführt wurde, kann von Spontaneität keine Rede mehr sein - zumindest für jene, die nicht gegen das Coronavirus geimpft sind. „Früher sind wir abends einfach weggegangen und haben spontan entschieden, was wir machen. Jetzt kann es sein, dass manche von uns nach Hause gehen müssen, weil sie nicht geimpft sind oder keinen PCR-Test haben. Die anderen ziehen weiter“, erzählt Elisa M. (Name von der Redaktion geändert). Die 23 Jahre junge Feldkircherin ist nicht geimpft und steht somit fast jede Woche vor der Entscheidung: PCR-Test ja oder nein? Sie habe sehr wohl darüber nachgedacht, sich impfen zu lassen, dann wäre es nämlich, wie sie sagt, „wesentlich unkomplizierter“. „Doch ich habe einfach kein gutes Gefühl dabei. Und da ich ohnehin davon ausgehe, dass im Herbst wieder alles schließen muss, habe ich mir gedacht, dass ich die paar Wochen auch mit PCR-Tests durchkomme.“ Eine andere Option wäre es, zu Hause zu bleiben.

Davon halten junge Menschen freilich wenig bis nichts - für Sozialwissenschaftler Prof. Mag. Bernhard Heinzlmaier, der seit über 20 Jahren in der Jugendforschung tätig ist, absolut verständlich: „Es ist ein großes Problem für junge Menschen, wenn Lokale, Bars und Diskotheken geschlossen haben, wenn sie ihre Freunde nicht treffen können und mehr noch, wenn sie zu Hause bleiben müssen. Durch diese Einengung können sie ihre Bedürfnisse nicht befriedigen und nicht den Lebensstil führen, den sie in dem Alter führen sollten. Das aber wäre irrsinnig wichtig, denn in diesem Alter - und wir sprechen hier von jungen Menschen bis zu 30 Jahren - geht es darum, die eigene Identität zu finden, sich schön anzuziehen, sexy zu sein, neue Menschen und mögliche Partner kennenzulernen, Grenzen zu überschreiten - ja, das Exzessive regelrecht zu zelebrieren.“

Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier.

(Bild: Foto: Georg Wilke)

Junge Menschen leben in gewisser Weise fürs Ausgehen, Feiern und Freunde treffen. Daraus schöpfen sie Motivation für die kommende Woche - sei es für die Schule oder den Job. Durch Corona bzw. die verordneten Maßnahmen ist dieser, wenn man so möchte, „Sinn des Lebens“ abhandengekommen. Und das sei, so Heinzlmaier, auf jeden Fall problematisch, „denn mit den Eltern zu Hause auf der Couch zu sitzen und die Nachrichten anzuschauen, ist mit Sicherheit keine Alternative“.

(Bild: stock.adobe.com)

Pragmatische Jugend
Im privaten Rahmen Feste zu feiern, hält Heinzlmaier indes sogar für richtig, denn das Rebellieren gehöre schlichtweg zur Jugend: „Junge Menschen müssen sich auflehnen. Sie müssen Wege und Mittel finden, die Normen zu umgehen und allen Vorschriften und Verboten zum Trotz ihr Vergnügen zu haben. Das ist eine gesunde Reaktion und es sollte uns vielmehr zu denken geben, wenn sich junge Menschen an alles halten, was ihnen vorgeschrieben wird.“ Dass aufgrund der Corona-Einschränkungen immer öfter zu Hause Feste veranstaltet werden, sei kein Geheimnis, so Elisa M. und erzählt von der Geburtstagsfeier eines Kollegen. Zugleich aber fragt sie sich: „Hat man die Clubs nicht geöffnet, damit private Feiern, bei denen niemand getestet ist, nicht mehr stattfinden?“

Natürlich erhofft sich die Politik durch die 2G-Regel eine Steigerung der Impfquote. Doch während sich die einen tatsächlich impfen lassen, behelfen sich die anderen mit gefälschten Impf- und Testzertifikaten. Davon weiß auch Elisa zu berichten: „Den Selbsttest konnte man unkompliziert und schnell durchführen. Das ist beim PCR-Test nun nicht mehr der Fall. Allerdings kann der leicht gefälscht werden.“ Jugendforscher Heinzlmaier überrascht diese Reaktion nicht, Jugendliche seien nun einmal pragmatisch: „Dann lässt man sich halt impfen oder fälscht ein Impf- oder Testzertifikat. Jugendliche nehmen das, was politisch abläuft, glücklicherweise nicht so ernst. Irgendwann wird es eh vorbei sein.“ Wir wollen es hoffen.