"Was da alles verloren geht, das berührt mich", schreibt Arno Geiger (im Bild mit seinem Vater) auf einer der ersten Seiten von "Der alte König in seinem Exil" (Hanser, 192 Seiten, 17,90 €). Und die Alzheimerkrankheit seines Vaters scheint nicht nur ihn zu bewegen, denn das Buch, das er darüber geschrieben hat, steht derzeit an der Spitze so gut wie jeder Bestenliste.
Nun könnte man Arno Geiger Kalkül vorwerfen, denn Themen wie der Umgang mit Demenz und die Pflege alter Menschen emotionalisieren - sind sowohl auf persönlicher als auch auf gesellschaftlicher Ebene in unser aller Leben präsent. Und auch für Geiger ist Alzheimer sowohl persönliches Schicksal, als auch die "Krankheit des Jahrhunderts", die mehr als alles andere für den Zustand der Überforderung der Menschheit steht.
Aber Geiger verwendet die Krankheit seines Vaters nicht berechnend, sondern setzt mit deren literarischer Verarbeitung zur eigenen Heilung an. Die Demenz, anfänglich noch Störfaktor in der Beziehung und Garant für Streitereien, wird zu einer Inspirationsquelle: "Lange hatten wir es mit Vergesslichkeit und dem Verlust von Fähigkeiten zu tun gehabt, jetzt begann die Krankheit, neue Fähigkeiten hervorzubringen." Der Kampf um Worte etwa resultiert in einer, - für Demenzkranke durchaus üblichen -, sprachlichen Ausgefallenheit, die Geiger beeindruckt. Über diese literarische Qualität der Demenz kommt der Autorensohn einem Verständnis seines Vater so nahe wie nie zuvor.
Ein schmaler Grat
"Es ist eine seltsame Konstellation. Was ich ihm gebe, kann er nicht festhalten. Was er mir gibt, halte ich mit aller Kraft fest." Mit solchen Sätzen schreibt Geiger gegen den Verlust an und versucht, der Krankheit etwas Bedeutungsvolles abzuringen. In den besten Momenten kann er damit zutiefst berühren. Geiger wandelt über die gesamte Länge des Buches jedoch auf einem schmalen Grat zwischen der ehrlichen Liebe eines Sohnes zu seinem kranken Vater und dessen Ausbeutung als Material für literarische Spielereien - zweiteres ist meist im Überhang.
Seinem Vater setzt Geiger mit "Der alte König in seinem Exil" eine Krone auf. Glänzen lässt er in dem Buch aber vor allem seine eigene literarische Eitelkeit im Umgang mit der Krankheit des Vaters.
Programm des Literaturfests der Spielstätten
von Christoph Hartner, "Steirerkrone"
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