Viele Stammesführer
Afghanistan: Mit wem die Taliban verhandeln müssen
Die Taliban wollen regieren. Einige Minister wurden schon ernannt. Aber auch andere Stammesführer reklamieren Anspruch auf eine Regierungsbeteiligung. Afghanistan darf man nicht als homogenen Staat verstehen. Es ist ein Zusammenschluss vieler Ethnien. Und mit denen werden die Taliban sprechen müssen.
Experten gehen davon aus, dass die Taliban das Land alleine nicht über lange Zeit halten können. Es wird Allianzen geben müssen. Sprecher Zabihullah Mujahid kündigte eine Regierung „aller Afghanen an“. Mit wem müssen die Taliban nun sprechen?
- Mit zweien sind die Radikalislamisten bereits laufend in Kontakt: mit Ex-Präsident Hamid Karzai und dem Ex-Regierungschef Abdullah Abdullah. Der Tadschike war einst Berater des legendären Führers der Nordallianz, Ahmad Shah Massoud, der gegen die Russen und die Taliban kämpfte.
- Dessen Sohn, Ahmad Massoud, führt den Widerstand gegen die Radikalislamisten an.
- Gulbuddin Hekmatyar kämpfte gegen und mit den Taliban. Er schwirrt seit den 1970ern in der afghanischen Politik herum und war zweimal Premierminister – in den 1990ern, bis die Taliban an die Macht kamen. Er hat gute Verbindungen zum pakistanischen Geheimdienst und ist ein wichtiger Akteur.
- Der Usbeke Abdul Rashid Dostum war Vizepräsident und ist wegen seiner Brutalität unter den Taliban gefürchtet. Er soll nach seiner Flucht kürzlich von Usbekistan an die Taliban ausgeliefert worden sein.
- Amrullah Saleh war Geheimdienstchef. Er hat sich der Miliz von Massoud angeschlossen und ist sehr einflussreich.
- Ata Mohammad Noor, ein ethnischer tadschikischer Führer, war mächtiger Gouverneur im Norden. Er ist ein Intimfeind der Taliban. Die Verhandlungen könnte deswegen sein Sohn führen.
- Und schließlich Mohammad Karim Khalili von der Hazara-Minderheit. Die schiitischen Hazara werden von den sunnitischen Taliban verfolgt. Er hat aber seine Bereitschaft zum Dialog mit den Taliban bekundet.
Traditionelle Machthaber werden aktiv
Es ist unklar, wie groß die Unterstützung in der Bevölkerung für Anführer wie Atta Noor, der als korrupt gilt, und Dostum, dem Folter und Brutalität vorgeworfen werden, ist. Die Vorstöße sind jedoch ein Zeichen dafür, dass die traditionellen Machthaber des Landes nach dem Sieg der Taliban wieder aktiv werden. Viele Experten sind der Meinung, dass es für jede Organisation schwierig sein wird, Afghanistan auf Dauer zu regieren, ohne dass ein Konsens zwischen den verschiedenen Ethnien des Landes besteht.
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