Ab erstem Herzschlag

De-facto-Abtreibungsverbot in Texas in Kraft

Ausland
01.09.2021 20:51

Der US-Staat Texas macht es Frauen ab sofort fast unmöglich, ein ungeborenes Kind abzutreiben. Sobald der erste Herzschlag des Fötus zu hören ist, ist der Eingriff verboten. Auch bei Vergewaltigungen und Inzest werden keine Ausnahmen gemacht. Es handelt sich damit um das strikteste Abtreibungsgesetz des Landes.

Der Herzschlag eines Fötus tritt etwa ab der sechsten Schwangerschaftswoche ein - also zu einem Zeitpunkt, zu dem viele Frauen nicht einmal wissen, dass sie schwanger sind. Abtreibungen sind nur erlaubt, wenn die Gesundheit der Schwangeren in Gefahr ist. Nach Angaben der Bürgerrechtsgruppe ACLU werden zwischen 85 und 90 Prozent aller Abtreibungen in Texas nach der sechsten Schwangerschaftswoche vorgenommen. „Das bedeutet, dass dieses Gesetz nahezu alle Abtreibungen in dem Bundesstaat verbieten würde.“

Supreme-Court kann noch eingreifen
Der konservative Gouverneur von Texas, Greg Abbott, hatte das Gesetz im Mai unterzeichnet. Bürgerrechtsgruppen und Anbieter von Abtreibungen reichten zwar am Montag beim Obersten Gerichtshof der USA einen Eilantrag gegen das Gesetz ein. Weil sich die Verfassungsrichter aber bis Dienstag um Mitternacht nicht äußerten, trat das Gesetz am Mittwoch zu Monatsbeginn in Kraft. Der Supreme Court könnte aber dem Eilantrag immer noch stattgeben.

Vor Texas hatte bereits ein Dutzend anderer US-Staaten ähnliche Abtreibungsgesetze beschlossen. Sie wurden aber allesamt von Gerichten kassiert, weil sie im Widerspruch zu einem Grundsatzurteil des Supreme Court aus dem Jahr 1973 stehen. In dem Urteil Roe v. Wade hatten die Verfassungsrichter Abtreibungen bis zum sechsten Schwangerschaftsmonat legalisiert.

Behörden nicht verantwortlich
Das texanische Gesetz unterscheidet sich aber in einem zentralen Punkt von den für ungültig erklärten Gesetzen anderer Staaten: Für die Durchsetzung der Regeln sind nicht die Behörden verantwortlich, sondern „ausschließlich“ Bürger. Diese werden ermutigt, Zivilklagen gegen Abtreibungskliniken oder deren Mitarbeiter einzureichen, die gegen die Vorgaben verstoßen - und erhalten im Falle einer Verurteilung mindestens 10.000 Dollar, die vom Verurteilten zu zahlen sind.

Die Bürgerrechtsgruppe ACLU spricht von einem „Kopfgeld“-Schema. Gruppen von Abtreibungsgegnern würden bereits dazu aufrufen, „anonyme Hinweise“ einzureichen. Dass nicht die Behörden, sondern Bürger faktisch mit der Durchsetzung der neuen Regeln betraut sind, könnte es schwieriger machen, das Gesetz vor Gericht anzufechten.

Biden reagiert empört
Die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, verurteilte das neue Gesetz am Mittwoch als „unmoralischen und gefährlichen Angriff“ auf die Rechte von Frauen. Dass der Oberste Gerichtshof das „radikale Gesetz“ nicht gestoppt habe, sei eine „Katastrophe“ für Frauen in Texas.

Auch US-Präsident Joe Biden reagierte empört auf die neue Regelung. Der Demokrat argumentierte wie zahlreiche Frauenrechtsorganisationen, dass das Gesetz verfassungswidrig sei. Seine Regierung sei dem verfassungsmäßigen Recht verpflichtet und werde es „schützen und verteidigen“.

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