Elitesoldat berichtet

So lief der Jagdkommando-Einsatz in Kabul

Österreich
02.09.2021 10:43

Einen Tag nach seiner Rückkehr aus dem Krisengebiet schildert ein Elitesoldat des Jagdkommandos im „Krone“-Gespräch den aufsehenerregenden Einsatz - und wie chaotisch die Lage in Kabul wirklich war.

„Am 17. August am Nachmittag habe ich die Alarmierung bekommen, meine Frau stand gerade neben mir. Am 18. waren wir schon am Weg nach Taschkent in Usbekistan“, schildert der Soldat, dessen Namen und Alter nicht genannt wird. Sein Auftrag: Schutz eines österreichischen  Diplomaten, der das Krisenteam vor Ort leitete und Kontakt mit Menschen aus Österreich hielt, die gerade in Afghanistan waren und ausgeflogen werden mussten.

„Platzmangel auf dem gewaltigen Flughafen“
Von Taschkent aus wurde von den Deutschen eine Luftbrücke nach Kabul betrieben. „Mehrmals am Tag sind wir mit ihnen nach Kabul geflogen. Der Flughafen dort ist zwar gewaltig, doch es herrschte Platzmangel“, so der erfahrene Soldat, der seit 22 Jahren bei der Spezialeinheit ist und zahlreiche Auslandseinsätze hinter sich hat. „Überall Transportflugzeuge, Fahrzeuge, Müllberge, Truppen aus zahlreichen Ländern. Dazwischen Menschentrauben von Zivilisten, die darauf warteten, in die ihnen zugewiesenen Flugzeuge zu steigen.“

(Bild: Bundesheer)

So lief der Einsatz
„Wir sind dann zu den Toren des Flughafens gefahren. Am Nordtor etwa gab es für die Zivilisten vier Checkpoints: Der erste wurde von den Taliban betrieben, der zweite von US-Soldaten, der dritte von internationalen Truppen, und am vierten standen Diplomaten, die die Papiere überprüften.“ Das Nordtor und das Abbey Gate im Südosten wurden zum Treffpunkt mit Menschen aus Österreich, die das Land verlassen wollten.

„Per Telefon haben wir ihnen gesagt, wann sie bei welchem Tor sein sollen. Dort haben wir uns mit rot-weiß-roten Fahnen erkennbar gemacht - und sie sich auch. Manche hatten groß ausgedruckte Zettel mit, die man auch per Feldstecher lesen konnte. Manche schwenkten Fahnen.“

(Bild: Bundesheer, Krone KREATIV)

Bange Momente 
Für das österreichische Einsatzteam eine Gratwanderung: Wie sehr mache ich mich mit Fahnen und Rufen selbst bemerkbar, und wie sehr mache ich mich dadurch zum Ziel für Anschläge? „Als der Leiter des Krisenteams mit Österreich-Fahne plötzlich vor zu den US-Soldaten wollte, um sich ein Bild von der vordersten Front zu machen, haben wir ein bisschen zu schwitzen begonnen“, so der Soldat. Dem Diplomaten wurde rasch nahegelegt, sich wieder zurückzuziehen.

Viele Familien, Ältere
„Was mich positiv überrascht hat, war, dass sehr viele Familien, Ehepartner und Ältere unter den Personen waren, die wir ausgeflogen haben. Sie alle hatten einen gültigen Aufenthaltstitel in Österreich, also waren sie für uns zurückzuholen. Das war der Auftrag.“ Ein Ehepaar, das es bis an die Flughafengrenze schaffte, wurde mit Körperkraft über den Schutzwall gezogen. Ein heikler Moment. „Wir mussten bei der Aktion um jeden Preis einen größeren Ansturm auf die Tore vermeiden.“

Berichte über möglichen Terroranschlag
Am 26. August endeten dann die täglichen Flüge der Österreicher von Taschkent nach Kabul. „Die Sicherheitslage hat es nicht mehr zugelassen. Es wurden Sprengstoffattrappen gefunden und einzelne Personen am Flughafen unter Terrorverdacht verhaftet. Leider haben sich die Befürchtungen eines schweren Anschlages kurz darauf bewahrheitet.“ Der Einsatz lief von Taschkent aus weiter, erst gestern, Mittwoch, kamen die beiden Jagdkommando-Soldaten wieder in Österreich an.

Ministerin Klaudia Tanner bedankte sich persönlich bei den beiden Jagdkommando-Soldaten. (Bild: Carina KARLOVITS/HBF)
Ministerin Klaudia Tanner bedankte sich persönlich bei den beiden Jagdkommando-Soldaten.

„Die Evakuierung von Personen aus Krisengebieten gehört zu unseren Aufgaben, die wir permanent üben“, erklärt der Soldat. „Eine Hälfte der Jagdkommando-Soldaten ist immer auf Abruf für solche Missionen.“ Nach der Rückkehr gab es eine kurze Danksagung von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP). Und ein paar Tage Urlaub.

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