Eine Woche schon besetzen Klimaaktivisten die Baustelle zur Stadtstraße Wien-Aspern, die Aktion soll jetzt um eine weitere Woche verlängert werden. Die Stadtstraße soll die Seestadt an die Südosttangente anschließen und ist ebenso umstritten wie der Lobautunnel. Aber darf man deswegen Baustellen besetzen und Bauarbeiten verhindern? Und bringt das überhaupt etwas in der Sache - oder verärgert man damit nicht nur alle? Simon Pories von Fridays for Future hat das Protestcamp mitorganisiert und Martin Auer, Sprecher der „Scientists for Future“, war bereits in Hainburg dabei. Im Gespräch mit Damita Pressl plädieren sie bei „Moment Mal“ für den zivilen Ungehorsam.
„Wir sehen in dieser Krise keine andere Wahl mehr“, sagt Pories, der selbst in der Donaustadt lebt und aufgewachsen ist und Raumplanung studiert. Fridays for Future besetze - nach langer interner Diskussion - die Baustellen in der Überzeugung, „dass es ein Blödsinn ist, diese Projekte durchzuziehen. Dass es provoziert, ist verständlich. Die Leute haben 20 Jahre lang gehört, das wäre die große Entlastung und wenn diese Straßen kommen, stehen sie nie wieder im Stau und dann wird alles super.“ Die Stadt Wien habe die Stadtstraße und den Lobautunnel 20 Jahre lang als Allheilmittel propagiert, kritisiert Pories.
Dabei, sagt er, will die Stadt Wien den Autoverkehrsanteil von derzeit 27 auf 15 Prozent drücken, und das bis 2030. Das heißt, auch wenn die Donaustadt wächst: Der Autoverkehr muss weniger werden. Die Klimaschützer sind überzeugt, dass das geht: „Wenn die Öffis ordentlich ausgebaut werden, braucht man keine neuen Straßen. Damit löst man auch den Stau. Es ist klar, dass das Blödsinn ist, wenn alle im Stau stehen - niemand will im Stau stehen und ich freue mich für niemanden, der im Stau steht. Aber das Effizienteste, um das Verkehrsproblem zu lösen, ist, die Öffis auszubauen.“ Denn in der Donaustadt gebe es weder regelmäßige Bahnverbindungen noch genügend Straßenbahnen. Das müsse sich ändern. „Das heißt nicht, dass es dann keinen Autoverkehr mehr gibt. Aber weniger. Und dann sind die Straßen auch frei für diejenigen, die wirklich einmal den IKEA-Einkauf nach Hause bringen müssen.“
Aber bringt so eine Blockade etwas? Schließlich sind es ja nur ein paar Dutzend Leute. Martin Auer war bei der Besetzung in Hainburg dabei und erinnert sich: „Hainburg hat auch klein angefangen. Da sind eine Rauchfangkehrerin und eine Ärztin in der Gegend herumgelaufen und haben gesagt, da werden die Donauauen zerstört.“ Dann habe es erste wissenschaftliche Untersuchungen gegeben, Öffentlichkeitsarbeit, auch die „Krone“ hat sich engagiert, dann Prominente, Politiker und Publizisten. „Aber ohne die paar, die angefangen haben, wäre das alles nie passiert“, sagt Auer. Der Höhepunkt war dann die Kundgebung vor Ort: „Ein Demonstrationsteilnehmer hat das Mikrofon genommen und hat gesagt: ,Leute, ich glaub, wir müssen dableiben. Ich glaub, wir müssen aufpassen.‘ Zwei Tage später kamen die Baumaschinen. Da war aber alles schon verbarrikadiert.“
Beispiele für zivilen Ungehorsam, der zu Veränderung geführt hat, gibt es genug: Das Wahlrecht und die Arbeitnehmerrechte etwa genießen wir dank ähnlicher Aktionen. „Wir bekommen auch von Anrainerinnen und Anrainern sehr viele positive Rückmeldungen zum Protestcamp“, erzählt Pories, Menschen würden etwa warmen Kaffee und Äpfel vorbeibringen. Die Grenze sei ganz klar, sagt Pories: Gewalt dürfe es nicht geben, auch die Baustelle oder das Material werde nicht beschädigt, aber „wir sind an einem Punkt angekommen, wo die Katastrophe so groß ist, dass klar ist, dass Leute radikalere Protestmethoden anwenden“. Am 24. September organisiert Fridays for Future den nächsten weltweiten Klimastreik.
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