Die US-Terroranschläge am 11. September 2001 haben auch das Fliegen nachhaltig verändert. Die „Krone“ sprach mit dem Chef der „Air Marshals“ in Österreich, einem Steirer, über den gefährlichen Job als Cobra-Polizist in der Luft.
Während Sie mit Ihrem Sitznachbarn auf dem Flug nach Übersee vielleicht gerade angeregt plaudern, hat dieser Herr – ohne dass Sie es bemerken – das gesamte Geschehen an Bord im Auge. Keiner der Passagiere weiß, dass er eine Waffe trägt und der österreichischen Eliteeinheit Cobra angehört. Ganz unauffällig geht er im Strom der anderen Fluggäste unter. Doch er hat einen besonderen Auftrag: nämlich die Passagiere und Crew vor möglichen Angriffen zu schützen.
Air Marshals schreiten hauptsächlich ein, wenn Passagiere in psychische Ausnahmesituationen geraten, sich nach zu vielen alkoholischen Getränken nicht mehr unter Kontrolle haben, oder aufgrund einer Nichtigkeit plötzlich ausrasten – sofern die Crew diese Probleme nicht alleine lösen kann.
„An Bord ist man auf sich alleine gestellt“
In der Vergangenheit kam es allerdings auch schon zu weit ernsteren, lebensbedrohlichen Situationen. 1997 konnte ein Air Marshal etwa die Entführung eines russischen Passagierflugzeugs auf dem Weg nach Nigeria verhindern. „In solchen Situationen sind die Teams an Bord auf sich allein gestellt. Es gibt keine Möglichkeit für Verstärkung“, erklärt uns der Leiter des Air-Marshal-Programms im Cobra-Hauptquartier in Wiener Neustadt.
Der Steirer ist noch aktiv im Dienst und möchte deshalb aus Sicherheitsgründen unerkannt bleiben. „In solchen Worst-Case-Szenarien haben die Täter ihren eigenen Tod miteinkalkuliert. Das bedeutet, man braucht sich weder Gnade, einen Zugang zum Täter oder eine Verhandlungsbasis erwarten.“
Wir müssen uns auf das Schlimmste vorbereiten. Im Worst Case darf nie aufgegeben werden. Denn es zählt nur der Schutz der vielen Unschuldigen.
Chef der Air Marshals
Für die Elitepolizisten spielt sich in ihrem gefährlichen Beruf deshalb viel in Herz und Hirn ab. „Man darf niemals aufgeben. Es geht immer nur vorwärts, egal wie ausweglos die Situation ist oder wie bescheiden die Mittel sind. Denn es zählt nur der Schutz der sehr vielen Unschuldigen.“
Seit den Terroranschlägen hat sich das Arbeitsumfeld für die Air Marshals natürlich verändert. „Man lernt aus der Historie und probiert vorauszudenken. Das Vorausdenken ist eine eigene kleine Wissenschaft.“
Realitätsnahes Training in Flugzeugnachbauten
Um auf jedes denkbare Szenario in einem Flugzeug vorbereitet zu sein, wird ständig geübt. „Dabei sind wir sehr nahe an der Realität. Das kann hart sein. Die Kollegen wissen nie, wer die Gegner sind oder welche Überraschung auf sie wartet.“ Trainiert wird mit Flugzeugnachbauten in einer Halle in Wiener Neustadt. Dabei werden auch Flugzeuggeräusche, Rauch und andere Elemente imitiert.
Das Herzstück des Trainings ist eine „scharfe“ 360-Grad-Schießanlage. Hier werden Szenarien, die in den Nachbauten dargestellt wurden, in Bild und Ton live übertragen und die Teilnehmer müssen die Bedrohungslage lösen – bei Bedarf auch im scharfen Schuss. „Da darf nichts schiefgehen. Wir setzten aber eher auf Taktik, Körperkraft und Nahkampf-Fähigkeiten. Schießen ist nur die Ultima-Ratio-Lösung.“
Gerade in den Nachwehen der Anschläge sind Passagiere besonders gerne mit den Airlines geflogen, die ein Air-Marshal-Programm haben.
Chef der Air Marshals
Bevor diese Trainingshalle gebaut wurde, trainierten die Sicherheitsbeamten in AUA-Maschinen, die gerade nicht gebraucht wurden.
„Wir brauchen diese Geheimnisse“
Wie viele Flüge österreichischer Fluglinien von den Spezialkräften besetzt werden, bleibt in diesem Gespräch ein Geheimnis. Auch die Anzahl der Air Marshals, die es gibt. Was herauszukitzeln war, ist, dass zumindest zwei Beamte pro Flug an Bord sind. „Wir brauchen diese Geheimnisse. Sie sind unser größter Schutz. Weil wir nicht ausrechenbar sein dürfen, und auch keine Rückschlüsse für potenzielle Täter zulassen wollen. Aber es gibt gute Chancen, dass wir auf allen erdenklichen Flügen zum Einsatz kommen“, betont der Air-Marshal-Chef.
Was sich durch Corona für sie geändert hat? „Es ist alles komplizierter geworden, genauso wie für alle Reisenden.“ Und warum es übrigens nicht piepst, wenn die Beamten durch den Sicherheitscheck gehen, bleibt auch eines der Geheimnisse.
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