Ob Chips, Batteriezellen oder Rohstoffe - der Mangel an Vorprodukten wird die Autobranche über Jahre hinaus in Atem halten. Die notorische Knappheit von Speicherchips bremse die Autoproduktion noch einige Zeit, sind sich die Konzernchefs einig. „Ich rechne damit, dass die grundsätzliche Anspannung in den Lieferketten in den nächsten sechs bis zwölf Monaten andauern wird“, sagte BMW-Chef Oliver Zipse am Montag auf der Automesse IAA in München. Auch der weltweit führende Autozulieferer Bosch geht davon aus, dass sich der Engpass demnächst zwar etwas abmildert, 2022 die Versorgung aber sehr knapp und die Lage angespannt bleibt. Daimler-Chef Ola Källenius rechnet sogar erst 2023 mit einer Entspannung, weil die Nachfrage nach Halbleitern in mehreren Branchen stark steige und die Produktion nicht nachkomme.
Die Versorgung sei kaum zu prognostizieren, erklärte Denner. Die Branche leidet derzeit besonders darunter, dass in Malaysia und Thailand im Kampf gegen die Corona-Pandemie Fabriken schließen mussten. Solange diese Länder niedrige Impfquoten hätten, bestehe das Risiko weiter. Renault-Chef Luca de Meo sagte, die Versorgungslage sei im laufenden dritten Quartal schwieriger als erwartet. Im kommenden Vierteljahr dürfte es aber besser werden. Der französische Autobauer hält derzeit an seiner Prognose fest, wonach wegen der Engpässe in diesem Jahr 200.000 Autos weniger als ursprünglich gebaut werden können.
BMW-Chef Zipse verwies auf die weltweit stark gestiegene Autonachfrage. Die gesamte Branche befinde sich derzeit in einer Nachinvestitionsphase, die auch die Chip-Branche einschließe. Derartige Phasen dauerten üblicherweise 18 Monate, von denen ungefähr sechs Monate geschafft seien. Langfristige Engpässe erwartet er nicht: Die Autobranche bleibe für die Chip-Industrie ein attraktiver Partner.
Auch die oberste Führung von Volkswagen richtet sich auf eine mögliche längere Lieferkrise bei den wichtigen Mikrochips ein. Das Fehlen größerer Mengen von Elektronik-Bauteilen, das derzeit zahlreichen Autoherstellern Produktionseinbußen und teilweise auch Kurzarbeit einbrockt, dürfte nach jetziger Einschätzung wohl nicht so rasch vorbei sein, sagte Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch der Deutschen Presse-Agentur am Rande der IAA. „Wir müssen uns damit auseinandersetzen, dass wir bis ins erste Halbjahr 2022, vielleicht auch noch weitergehender mit Auswirkungen zu rechnen haben“, so der Chefkontrolleur des größten deutschen Unternehmens.
Direkte Verträge und nähere Produktion
Daimler sichert sich gegen solche Lieferprobleme künftig besser ab, indem Verträge direkt mit den Chip-Herstellern geschlossen werden, statt dies den großen Zulieferern wie Bosch oder Continental zu überlassen. „Das ist eine neue Position, in der wir sind“, sagte Entwicklungschef Markus Schäfer. Der Autobauer rede jetzt auch bei der Entscheidung mit, wo neue Chipfabriken entstehen und dränge auf Werke nahe der Fahrzeugproduktion. Bisher konzentrierten sich die Hersteller auf Asien. Künftige gelte das Motto: „Local for local - das heißt in Europa für Europa, in Asien für Asien, in den USA für die USA“, sagte Schäfer.
Neben Chips auch Batteriezellen heiß begehrt
Neben Speicherchips seien Batteriezellen ein erfolgskritisches Vorprodukt, bei dem die Nachfrage mit dem Umschwung zu Elektromobilität rapide steigen werde, erklärte der Daimler-Entwicklungs- und Produktionschef weiter. „Wir müssen die gesamte Lieferkette beherrschen und absichern, dass wir genug Zellen haben.“
Der Stuttgarter Autobauer hatte im Juli angekündigt, mit Partnerunternehmen acht Zellfabriken mit exklusiver Versorgung für Mercedes-Benz aufzubauen, davon vier in Europa. Eines der Werke für Europa werde in Kürze bekannt gegeben, sagte Schäfer. „Wir werden für Europa aus Europa heraus einen europäischen Batteriechampion haben, mit dem wir das in Partnerschaft machen.“
Namen wollte Schäfer nicht nennen. Doch in der Branche gilt Northvolt aus Schweden als ein weit entwickelter Anbieter. Insgesamt gibt es schon rund 50 Projekte in Europa für Zellfertigungen. Und auch hier gelte, dass es zunehmend Lieferverträge des Autobauers direkt mit Rohstoffproduzenten wie etwa für Lithium gebe, um das Ziel zu erreichen, bis 2030 das Pkw-Angebot komplett auf reine E-Autos umstellen zu können, betonte Schäfer.
Experten warnen vor Rohstoffknappheit
Während in Europa die Produktionskapazitäten für Zellen - das Herz der E-Auto-Batterie in Gang kommen - warnen Experten vor Rohstoffknappheit. Dieses Problem sei von Anfang an klar gewesen, erklärte Bosch-Chef Denner. „Die Fahrzeughersteller haben sich tief um das Thema gekümmert, teilweise bis runter in den Minen.“
Anders als Volkswagen und Daimler setzt BMW bisher nicht auf eigene Batteriezellwerke. Das Unternehmen habe zuletzt seine Bestellung von zwölf Milliarden auf fast 22 Milliarden Zellen erhöht, sagte Zipse. Furcht vor Engpässen habe er nicht: „Wir sehen keine Indizien, dass unsere Batteriezellenlieferungen nicht kommen.“ Auch bei den Rohstoffen wie Lithium, Kobalt oder Nickel seien vorerst keine Lieferprobleme absehbar.
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