Die Grazer Autorin Claudia Sammer war Augenzeugin der Terroranschläge in New York. Nun hat sie ihre Erlebnisse zu einem Roman verarbeitet. Im Gespräch mit der „Krone“ erinnert sie sich an den Tag zurück, der für immer Teil ihres Lebens wird.
„Ich bin am 11. September 2001 in New York vom Geräusch eines Flugzeugs aufgewacht“, erinnert sich Claudia Sammer. „Es klang, als ob es direkt am Fenster des Hotelzimmers vorbeigeflogen wäre. Zuerst habe ich gedacht, das kann nicht sein, ich habe geträumt. Aber dann habe ich den Fernseher eingeschaltet, und mir wurde klar: Das ist real!“
Die Grazer Autorin war an jenem verheerenden Tag als Urlauberin im Big Apple: „Wir wollten die Stadt an dem Tag eigentlich verlassen und mit einem Mietauto die Umgebung erkunden“, erinnert sie sich.
„Das ist die Apokalypse“
Doch als sie am 11. September gegen Mittag erstmals ihr Hotel in der 20. Straße verließ, stand sie inmitten einer traumatisierten Stadt: „Das Zimmermädchen, das auf unserem Flur arbeitete, sah uns an und sagte: ,Das ist die Apokalypse‘“, erinnert sie sich. Und weiter: „Als wir auf die Straße traten, standen wir in einer Gespensterstadt - alles war leer und still. Man konnte die giftige Staubwolke sehen, die in Richtung Brooklyn zog.“
Als wir auf die Straße traten, standen wir in einer Gespensterstadt - alles war leer und still.
Claudia Sammer
Es fühlte sich an wie im Auge des Sturms: „Wir wussten nicht, ob noch was kommt. Es war eine große Angst spürbar und hat sich angefühlt, als würden wir in einer Falle stecken.“
Am nächsten Tag schon wieder Normalität
Doch schon am Tag darauf zeigte sich ein anderes Bild: „Von der 14. Straße südwärts war alles gesperrt, aber nördlich davon, im Rest der Stadt, gab es wieder Leben in den Straßen und eine Form von Normalität, die beeindruckend und leicht verwirrend zugleich war.“
Ich hatte immer das Bedürfnis, über meine Erlebnisse zu reden. Jedes Jahr, wenn der September kam, kamen die Bilder wieder in mir hoch.
Claudia Sammer
Im September kommen die Bilder wieder hoch
Nun hat Sammer ihre Erinnerungen zu einem Roman verarbeitet: „Ich hatte immer das Bedürfnis, über meine Erlebnisse zu reden. Jedes Jahr, wenn der September kam, kamen die Bilder wieder in mir hoch. Als ich das Schreiben für mich entdeckt habe, war das ein wunderbarer Weg, all das noch einmal zu verarbeiten.“
Doch in ihrem Buch geht es nicht nur um 9/11: „Ich spinne darin einen roten Faden zur Corona-Pandemie. Auch von dieser war New York besonders betroffen, und auch hier hat mich die Hilfsbereitschaft der New Yorker besonders berührt.“
„Der Tag wird immer ein Teil meines Lebens sein“
Der Titel ihres Buches - „Wild Card“ - bezieht sich auf einen Begriff aus der Zukunftsforschung: „Es bezeichnet Ereignisse, die völlig unerwartet eintreten und trotzdem massive Auswirkungen auf unser Leben haben, das wollte ich literarisch erkunden“, erklärt sie. Denn 9/11 hat nicht nur das Weltgeschehen, sondern auch das Schicksal vieler einzelner Menschen verändert - wie etwa jenes von Sammer: „Ich war zwar zum Glück nie in Gefahr, aber der 11. September wird für immer Teil meines Lebens sein.“
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