„Angriff auf Amerika“

So scheiterte der US-Krieg gegen den Terror

Ausland
11.09.2021 06:00

Vor 20 Jahren endete die Allmacht der USA. Der Terror gegen den Terror war ein verhängnisvoller Fehler. Die USA lieferten dem Dschihad immer neuen Nachwuchs. Es gibt wenige historische Ereignisse, die mit der Frage in Erinnerung bleiben: „Wo warst du, als ...?“ Nun, ich war bei den letzten Zeilen der aktuellen Ausgabe der Zeitung. Nebenher lief lautlos CNN. Zufallsblick: Einer der Tower brennt. „Wieder so ein schräger Horrorfilm aus Hollywood, den CNN vorstellt“, dachte ich. 

Minuten später wieder ein Zufallsblick: Flugzeug fliegt in den zweiten Turm. Oha! Eine solche Übertreibung leistet sich nicht einmal Hollywood. Die Zeitungsausgabe wird buchstäblich in letzter Sekunde umgestoßen auf: „Terrorangriff auf Amerika“!

Terror beeinflusst noch immer Alltagsempfinden
Noch 20 Jahre später beeinflussen die Terroranschläge vom 11. September unser Alltagsempfinden. Damals kam es zu einer Grunderschütterung, die bis heute nachwirkt. „Wenn es ein Hochhaus in Kenia gewesen wäre, wären wir ebenfalls betroffen gewesen, aber es hätte keine so nachhaltige Traumatisierung gegeben“, erläutert Stefan Weidner, Autor des aktuellen Buches „Ground Zero: 9/11 und die Geburt der Gegenwart“.

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Wenn es ein Hochhaus in Kenia gewesen wäre, wären wir ebenfalls betroffen gewesen, aber es hätte keine so nachhaltige Traumatisierung gegeben.

Stefan Weidner, Autor

Ikonen der Allmacht der USA als Ziel
Die Zwillingstürme waren die Ikonen der modernen Welt und der Allmacht der USA. Deshalb waren sie auch zum Ziel geworden. Weidner beschreibt 9/11 als das erste weltgeschichtliche Ereignis, das in Echtzeit rund um den Globus übertragen wurde. Dies kam auch dadurch zustande, dass die Terroristen das zweite Flugzeug erst 17 Minuten nach dem ersten in die Türme steuerten. Beim zweiten Einschlag sah bereits eine globale Öffentlichkeit zu.

Geburt des Zeitalters der Unsicherheit
Das Gefühl, das damals abgespeichert wurde, lässt sich auf die Formel bringen: „Wenn etwas so Unwahrscheinliches möglich ist, dann muss man künftig mit allem rechnen“, so der Autor. Die damit einhergehende Verunsicherung war umso stärker, weil die 90er-Jahre von Optimismus getragen waren. Nach dem Fall der Berliner Mauer sprachen manche vom „Ende der Geschichte“: Der Westen hatte gesiegt – und mit ihm Demokratie und Globalisierung.

9/11 hat diese Zuversicht auf einen Schlag zerstört. „Es ist das Gefühl, in einer Welt zu leben, auf die man sich nicht verlassen kann. Und es findet seitdem immer wieder Bestätigung in weiteren globalen Katastrophen.“

Nach dem 11. September erinnerten viele Fotos und Andenken an die Opfer. Diese hier nur einen Block vom Ground Zero entfernt. (Bild: TIMOTHY A. CLARY/AFP)
Nach dem 11. September erinnerten viele Fotos und Andenken an die Opfer. Diese hier nur einen Block vom Ground Zero entfernt.

Afghanistan als die bittere Bilanz
Nach dem 11. September vor 20 Jahren hatten die USA den globalen Krieg gegen den Terrorismus ausgerufen. Keine drei Jahre später verkündeten sie den ersten Sieg in diesem Krieg – ausgerechnet in Afghanistan. Das sollte nicht die einzige katastrophale Fehleinschätzung bleiben. Von einem Ende der internationalen Terrorbedrohung kann auch 20 Jahre später keine Rede sein. Und auf dem ersten Schlachtfeld in diesem Krieg – Afghanistan – ist der Westen gerade gescheitert.

Terror als Vorwand für Krieg gegen Irak
Es war nur einer von vielen katastrophalen Fehlern der USA. Bush nutzte den Krieg gegen den Terrorismus auch als Vorwand, um im März 2003 den Irak anzugreifen. Ende 2011 zogen die USA ihre Truppen aus dem Land ab. Keine drei Jahre später mussten sie zurückkehren, um die irakischen Sicherheitskräfte im Kampf gegen den IS zu unterstützen. Diese Terrororganisation ist trotz ihrer militärischen Niederlage weiter aktiv. US-Politik liefert ihr immer neuen Nachwuchs.

Der Schock von 9/11 war so gewaltig, dass die USA auch ihre Menschenrechtsideale über Bord warfen. (Bild: www.viennareport.at)
Der Schock von 9/11 war so gewaltig, dass die USA auch ihre Menschenrechtsideale über Bord warfen.
Der „Leuchtturm der Demokratie“, als den sich die USA gerne sehen, griff im Krieg gegen den Terror zur Folter. Das Militärgefängnis von Abu Ghraib in Bagdad (Foto) wurde zum Symbol, wie leicht zivilisierte Gesellschaften auf Abwege geraten können. (Bild: AP)
Der „Leuchtturm der Demokratie“, als den sich die USA gerne sehen, griff im Krieg gegen den Terror zur Folter. Das Militärgefängnis von Abu Ghraib in Bagdad (Foto) wurde zum Symbol, wie leicht zivilisierte Gesellschaften auf Abwege geraten können.

Folter und Lügen: Verrat an der Demokratie
Sollten die Attentäter von 9/11 auch die Absicht gehabt haben, die USA dazu zu bringen, in blinder Wut ihre Grundsätze der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu verraten, dann hatten sie vollen Erfolg. Auf Weisung von Vizepräsident Cheney wurde die Folter eingeführt, dazu „gezielte Tötungen“ praktiziert ohne juristische Grundlage sowie mit einer Lügenpolitik der Krieg gegen den Irak vom Zaun gebrochen. Außenminister Powell zeigte der UNO eine Phiole mit Milchpulver, als sei es Saddam Husseins angebliches Anthrax-Massenvernichtungsgift.

In den USA waren also am 9/11 nicht nur die Zwillingstürme von New York eingestürzt, sondern alle Ideale der Gründungsväter. Finden die USA den Weg zurück aus der Finsternis?

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