Es war am Samstag, dem 20. Februar 2021. Wie berichtet, gab es in Innsbruck einen „illegalen Spaziergang“ mit mehr als 700 Teilnehmern. Die Exekutive war mit rund 230 Polizeibeamten vor Ort. Der „Spaziergang“ verlief ruhig, bis es am Ende zu einem Zwischenfall beim Landhausplatz kam. Der „Krone“ liegen dazu interessante neue Infos vor.
Auslöser für den Tumult war laut Polizei ein 23-Jähriger, der sich nicht an die Covid-19-Maßnahmen gehalten haben soll. Er hatte sich mit seiner Mutter, weiteren Personen und einer im Rollstuhl sitzenden Freundin am Landhausplatz aufgehalten. „Dabei hatte er eine Zigarette geraucht und wurde von einer Polizeibeamtin aufgefordert, einen Mund-Nasen-Schutz aufzusetzen. Er weigerte sich aber, es kam zum Platzverweis“, klärt Markus Abwerzger, Anwalt des 23-jährigen Tirolers, auf.
„Der Mann hatte wirklich sehr starke Schmerzen“
Die Gruppe wollte gehen, doch ein Beamter habe die Lage falsch eingeschätzt. „Mein Mandant wurde von Polizisten plötzlich niedergerissen, vier von ihnen saßen auf ihm drauf und zogen ihn an den Beinen. Eine weitere Beamtin hatte ihn fest an den Haaren fixiert. Er hatte Schmerzen und leistete maximal passiven Widerstand. Eine solche Fixierung ist keine, insbesondere im Sinne der Menschenrechte zulässige Amtshandlung“, erläutert der Rechtsanwalt. Der 23-Jährige wurde folglich wegen angeblich versuchtem Widerstand gegen die Staatsgewalt festgenommen.
Eine 50-jährige Frau habe laut Polizei eine „aktive Widerstandshandlung“ getätigt. „Doch sie ist dem schreienden 23-Jährigen nur zu Hilfe gekommen, da dieser im Alter ihres Sohnes war. Sie hat sich zu ihm hingekniet und wollte ihn beruhigen“, schildert Abwerzger.
Der 81-jährige Vater der 50-Jährigen habe wiederum gesehen, dass sich seine Tochter in den Tumult gestürzt hatte. „Er wollte sie herausholen, hat sie zurückgerissen und dabei hat sie sich an einem Beamten festgehalten. Genau deswegen wurde gegen sie eine Widerstandshandlung angezeigt, also komplett abwegig“, verdeutlicht der Verteidiger.
„Gesicht brutal gegen den Asphalt gedrückt“
Schließlich wurde auch der 81-Jährige „in brutalster Weise“ von der Polizei zu Boden gerissen, wie Abwerzger betont. Ihm sei das Gesicht gegen den Asphalt gedrückt worden, wodurch er Verletzungen erlitten habe. Am Boden liegend seien ihm unsanft die Hände auf den Rücken gebogen und Handschellen angelegt worden.
„Verwerflich ist die Stellungnahme vonseiten der Kärntner Einsatzgruppe. Demnach soll der 81-Jährige mehrfach mit geballter Faust gegen die Beamten geschlagen haben. Das wurde auch vom Tiroler Polizei-Pressesprecher öffentlich so wiedergegeben. Doch das ist nicht wahr“, betont er. Das beweise eine Videoaufnahme. „Mein Mandant hat zu keinem Zeitpunkt Widerstandshandlungen gesetzt, das ist auszuschließen. Auffallend ist, dass die Schilderungen von einigen Polizisten in ihren Amtsvermerken in doch erheblichem Widerspruch zu diesem Videomaterial sind. Das Einschreiten der Beamten dürfte in meinen Augen rechtswidrig gewesen sein“, erläutert der Rechtsanwalt. Aus diesem Grund wurde das Verfahren gegen den Pensionisten bereits im Ermittlungsverfahren eingestellt.
Es könnte durchaus noch weitere Schritte geben
„Doch wir werden weitere Schritte setzen, möglicherweise werden wir sogar eine Sachverhaltsdarstellung wegen Verleumdung einbringen. Mein Mandant will sich das einfach nicht gefallen lassen“, betont Abwerzger. Die 50-Jährige, die – wie der Pensionist – unbescholten ist, wurde vom Vorwurf des Widerstandes gegen die Staatsgewalt mittlerweile rechtskräftig freigesprochen. Ebenso der 23-Jährige, der aber nicht unbescholten ist.
Werden gegen Beamtin nun Ermittlungen eingeleitet?
„Auch wenn die Ermittlungsverfahren gegen die 23-jährigen und 81-jährigen Männer sowie gegen die 50-jährige Frau zu den Delikten bei der Demonstration am 20. Februar 2021 in Innsbruck eingestellt wurden beziehungsweise mit Freispruch vor Gericht endeten, bedeutet dies nicht, dass die dazugehörigen polizeilichen Zwangsmaßnahmen nicht gerechtfertigt waren“, sagt Stefan Eder, Pressesprecher der Tiroler Polizei, und weist darauf hin: „Die polizeilichen Zwangsmaßnahmen wurden ihrerseits von der Staatsanwaltschaft Innsbruck geprüft und als rechtmäßig befunden, weshalb von der Staatsanwaltschaft auch keine Ermittlungsverfahren gegen die betroffenen Polizistinnen und Polizisten eingeleitet wurden.“
Im Zuge der Erhebungen wurden mehrere Videos gesichtet. Zum genauen Inhalt können wir aber keine Angaben machen.
Stefan Eder, Sprecher der Tiroler Polizei
Man könne nicht sagen, ob Vater und Tochter öfter an Demonstrationen teilgenommen haben. Das spiele für das polizeiliche Einschreiten auch keine Rolle. „Im Zuge der Erhebungen wurden mehrere Videos gesichtet und Einvernahmen durchgeführt. Zum genauen Inhalt der Videos können wir keine Angaben machen“, schildert Eder.
Eine Causa sei allerdings noch nicht abgeschlossen. „Der Vorwurf, dass eine Polizeibeamtin den 23-jährigen Mann an den Haaren gezogen hat, wurde erst im Zuge der Hauptverhandlung vor Gericht bekannt. Diesbezüglich wird von der Staatsanwaltschaft Innsbruck aktuell geprüft, ob ein Ermittlungsverfahren einzuleiten ist“, klärt Eder auf.
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