Am 26. September findet mit der oberösterreichischen Landtagswahl der hierzulande größte Urnengang 2021 statt. Wahlberechtigt sind 1,1 Millionen Menschen. Infolge der parallelen Bürgermeister- und Gemeinderatswahlen ist deren Wahlbeteiligung mit traditionell etwa 80 Prozent hoch. Doch womöglich ändert sich politisch fast nichts.
1. Eine Status-quo-Wahl ohne Wechsel bei Parteireihenfolge, Mehrheiten und Regierung ist weder gut noch schlecht. Der Begriff meint neutral, die Wähler würden so entscheiden, dass in der Landespolitik keine Umbrüche zu erwarten sind. In Oberösterreich freilich sind kaum Veränderungen zu erwarten, obwohl es große Stimmverschiebungen geben wird. Trotzdem erleben wir am Wahlabend vielleicht lauter selbst ernannte Sieger.
2. Die ÖVP verzeichnete 2015 mit 36 Prozent der Stimmen ihr schlechtestes Landesergebnis in der Geschichte der Zweiten Republik. Es kann nur besser werden, weil man von der FPÖ nach Ibiza, Spesenaffäre & Co. Wähler gewinnen wird. Keinen wird die Debatte jucken, ob die Zuwächse höher sein müssten. Jeder „4er“ beim prozentuellen Wahlergebnis eignet sich für die Triumph-Inszenierung. Weshalb die Schwarztürkisen an Umfragewerten von 39 Prozent Interesse haben, obwohl das natürlich nicht punktgenau vorhersagbar ist.
3. Im Gegenzug wird die FPÖ erheblich an Stimmen und Prozenten verlieren. Landeten die Blauen aber nach letztens 30 Prozent nun bei über 20 Prozent, wird das bejubelt. Wie das, wenn der Verlust bis zu ein Drittel der Anhänger ausmacht? In Wien wurde im Vorjahr die FPÖ beim selben Ausgangswert mehr als gevierteilt und erhielt katastrophale sieben Prozent Zuspruch. Vergleichsweise wird das Wahlergebnis in Oberösterreich tauglich sein.
4. Nichts spricht dagegen, dass ÖVP und FPÖ ihre Zusammenarbeit in der Landesregierung fortsetzen. Manfred Haimbuchner (FPÖ) will das ohne andere Mehrheitsalternativen sowieso. Für Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) überwiegen die Vorteile. In keiner anderen Parteikonstellation ist die inhaltliche Übereinstimmung größer. Zugleich muss Stelzer die FPÖ als Juniorpartner nicht fürchten, weil sie da nie als sein Hauptgegner auf die Überholspur kommt.
5. In Oberösterreich stimmt es zudem nicht, dass ein kleinerer Partner für die ÖVP politisch billiger wäre, weil man weniger Regierungsposten abtreten muss. Es gibt ein Proporzsystem, demzufolge alle Parteien ab einem bestimmten Stimmenanteil automatisch Landesräte stellen. Daher sind nach der Wahl dieselben Parteien in der Regierung wie vorher. Spannungsmoment ist nur, ob die FPÖ einen Landesratsposten an die ÖVP abtreten muss. Darüber entscheidet rein rechnerisch das Wahlergebnis.
6. Die Grünen dürften ihren Landesrat Stefan Kaineder behalten und träumen von einer Partnerschaft mit der ÖVP. Umwelt- und Verkehrsministerin Leonore Gewessler hat das kostengünstige 1-2-3-Ticket für öffentliche Verkehrsmittel mit Stelzer präsentiert, um das zu zeigen. Die Chancen auf ein Ausbremsen der FPÖ sind gering, doch immerhin verlieren die Grünen nichts, was sie vorher hatten.
7. Peinlich kann der Wahlabend für die SPÖ werden, und Birgit Gerstorfer ist die einzige Landesparteivorsitzende, deren Sessel wackeln könnte. Den momentan von ihr besetzten Regierungssitz werden die Sozialdemokraten weiterhin haben. Nur gab es letztens mit 18 Prozent das schlechteste Resultat jemals. Ein nochmaliges Minus wäre ein Desaster, ist aber nicht auszuschließen. Jedes noch so kleine Plus würde gefeiert, was parteiintern einen schalen Beigeschmack haben müsste.
8. Die Neos hoffen, erstmals in den Landtag einzuziehen. Dabei hilft ihnen, dass dafür anders als in Kärnten, Salzburg, Tirol, Vorarlberg und Wien lediglich vier statt fünf Prozent der Stimmen erforderlich sind. Spitzenkandidat Felix Eypeltauer ist kein allseits bekannter Publikumserfolg, doch ist die bundespolitische Gesamtstimmung für die Neos heuer besser.
9. Schaffen die Neos es nicht in den Landtag, sitzen dort aufgrund des Proporzes nur Parteien, die mindestens ein Regierungsmitglied stellen. Was ein Kuriosum ist. Es gibt keine echte Opposition. Der Landtag soll die Regierung kontrollieren, und jede Partei kontrolliert sozusagen auch sich selber.
10. Alles Corona, oder was? Eine Standardfrage der Wahlforschung lautet, was von den Wählern – und nicht etwa nur von Politikern oder Journalisten – am meisten besprochen wurde. Wir haben noch zwei Wahlkampfwochen, nur eine Vorhersage ist jetzt schon leicht: Während man vor sechs Jahren über Zuwanderung und Flüchtlinge am allermeisten diskutierte, wird diesmal Gesundheit viel mehr im Mittelpunkt stehen.
Was auffällt: Der Stufenplan der Bundesregierung zur Pandemiebekämpfung ist als Sofortmaßnahme ungeeignet. Alles ist so terminisiert, dass der Großteil nach dem Wahltag kommt. Unpopuläre Dinge, die entweder Impfbefürworter oder Impfgegner empören, können dadurch kaum ein Wahlmotiv werden. Sollte das Aufschieben von Corona-Maßnahmen wahlkampfbedingt sein, um keine Wählergruppe zu verprellen, so wäre das schlimm.
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