Streit um Verbote

Von wegen laut: Motorrad-Lärm-Lüge aufgedeckt

Motor
17.09.2021 14:03

Lange dauert die Motorradsaison 2021 nicht mehr, aber wie schön wäre es, im nächsten Jahr auch auf der für viele Bikes gesperrten Strecken in Tirol wieder fahren zu können! Wie vernünftig es wäre, die geltenden Fahrverbote aufzuheben, zeigt nun der Dachverband Arge 2Rad: Ganz offensichtlich sind die Kriterien, nach denen die Lärmbelästigung von Motorrädern beurteilt wird, völlig unsinnig.

(Bild: kmm)

Die Tiroler Verordnung, wonach einspurige Fahrzeuge mit einem im Zulassungsschein eingetragenen Standgeräusch von über 95 Dezibel von bestimmten Strecken ausgeschlossen werden, gilt bekanntlich bereits in der zweiten Saison. Sinnvoller ist sie im Lauf der Zeit nicht geworden.

Denn: Die Landesregierung gehe von falschen Voraussetzungen aus, so die Arge 2Rad. Zuletzt habe LH Stellvertreterin Ingrid Felipe zum Thema Streckensperrungen in einer Aussendung die Behauptung aufgestellt, dass je lauter das Standgeräusch, desto lauter auch das Fahrgeräusch sei. Und damit gerechtfertigt, Motorrädern mit einem Standgeräusch von über 95 dB(A) das Befahren von bestimmten Strecken zu verbieten, um die Anrainer vor zu großer Lärmbelastung zu schützen.

„Diese Behauptung entspricht nicht den Tatsachen“, stellen die Arge 2Rad, der Dachverband der österreichischen Zweiradindustrie und Zweiradimporteuren, sowie die Wirtschaftskammervertretung des Zweiradhandels klar.

Die beiden Interessensvertretungen haben eine Liste mit den Geräuschwerten von Motorrädern zusammengestellt, die ein klares Bild ergeben: Es gibt praktisch keinen Zusammenhang zwischen dem Standgeräusch und der tatsächlichen Lärmentwicklung während der Fahrt (und damit der Belästigung von Anwohnern. Viele Maschinen mit hohem Standgeräuschpegel sind während der Fahrt relativ leise, während andere trotz geringem Standgeräuschpegel im Fahrbetrieb auffallend laut sind.

(Bild: Moto Guzzi)

Zwei markante Beispiele dokumentieren dies. Die angeführten Daten stammen aus den offiziellen Typengenehmigungen der EU für die entsprechenden Motorradtypen:

  • Suzuki: Bei gleichem Fahrgeräusch von 77 dB(A) hat die GSX-1100 ein Standgeräusch von 96 dB(A) und der Roller Burgmann 400 ein Standgeräusch von 84 dB(A); also kein Unterschied beim Fahrgeräusch, aber ein Unterschied von 12 Dezibel im Standgeräusch.
  • Ducati: Das Fahrgeräusch der Panigale Superleggera und ebenso der Multistrada V4S ist 77 dB(A), das Standgeräusch der Panigale beträgt 108 dB(A) und das der Multistrada 92 dB(A); d.h. auch in diesem Beispiel gibt es keinen Unterschied im Fahrgeräusch, aber 16 dB(A) im Standgeräusch.

„Diese beiden Beispiele unterstreichen sehr deutlich, warum wir schon rein fachlich mit der Tiroler Verordnung bzgl Fahrverbote für Motorräder nicht einverstanden sind. Zeigen sie doch ganz eindeutig, dass das Standgeräusch keinen Rückschluss auf das Fahrgeräusch, das ja letztendlich das Kriterium der Lärmbelastung für Anrainer darstellt, zulässt. Es ist daher absolut nicht geeignet, “laute„ von “leisen„ Motorrädern zu unterscheiden!“, so Karin Munk, Generalsekretärin der Arge 2Rad.

Ferdinand O. Fischer, Sprecher des Zweiradhandels, ergänzt: „Das Standgeräusch hat nur einen Zweck: es ermöglicht der Polizei durch eine vor Ort Messung festzustellen, ob ein Auspuff manipuliert wurde oder nicht. Eine Verordnung, die Motorrädern lediglich aufgrund einer Nachschau im Zulassungsschein das Befahren verbietet, ohne zu messen, geht am Sinn und Zweck des Standortgeräusches, nämlich manipulierte Auspuffe aus dem Verkehr ziehen zu können vorbei und ist daher alleine schon aus diesem Grund vollkommen widersinnig.“

Hier weitere Vergleiche der Fahr- und Standgeräusche (laut EU Homologation) von Motorrädern diverser Marken:

Marke

Type

Fahrgeräusch in dB(A)

Standgeräusch in dB(A)

Aprilia

Tuono 660

77

99

 

Tuono V4 Factory

77

95

BMW

R18

75

95

 

R1250GSA

76

90

Ducati

Panigale Superleggera

77

108

 

Multistrada V4S

77

92

Harley-Davidson

Fat Boy

75

96

 

Road Glide CVO

75

91

Honda

CBR1000RR-R

75

99

 

CB500F

74

90

Kawasaki

Ninja ZX-10RR

75

97

 

Ninja ZX-6R

75

91

Suzuki

GSX-S1000

76

96

 

Burgmann 400

76

84

Triumph

Rocket3TFC

77

102

 

Street Scrambler A2

77

92

Yamaha

YZF-R1 RN191

77

99

 

YZF-R1 RN042

77

88

Die Arge 2Rad stellt klar, keine Lanze für manipulierte, laute Motorräder brechen zu wollen. Es gebe aber derzeit schon genug Möglichkeiten, diese Bikes entsprechend zu strafen. Daher bestehe kein Regelungsdefizit, sondern höchstens ein Vollzugsdefizit.

„Die Hersteller werden einen entsprechenden Beitrag leisten und ab 2024 noch leisere Motorräder in freiwilliger Selbstbeschränkung auf den Markt bringen“, so Munk.

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(Bild: kmm)



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