Keine Angst, diese Reportage über unseren Umgang mit Schweinen soll nicht schockieren oder gar Bauern schlechtmachen. Das wäre zu einfach. Sie soll uns Fleischessern bewusst machen, wie ungeniert wir wegschauen. Aber auch wie verdammt leicht uns das gemacht wird.
Es sind 1,3 Quadratmeter Stallfläche und ein Quadratmeter Auslauf, die einem Schwein (bis 110 Kilo) in der Endmast hierzulande zugestanden werden. Und das ist schon die Bio-Richtlinie. Konventionell sind es natürlich noch weniger.
Können Sie sich vorstellen, dass allein bei uns in Österreich rund drei Millionen Schweine so gehalten werden? Oft elegant weggesperrt in großen Hallen. Und auch, wenn all das den Richtlinien entspricht, den Regeln und Gesetzen und den Bauern daher kein Vorwurf zu machen ist: Dieses System ist eine Sauerei. Denn diese Regeln wurden für die Wirtschaft gemacht, nicht für die Tiere, die uns da anvertraut wurden, und auch nicht für uns Konsumenten.
Erst heuer wurde die Vollspaltenboden-Haltung (da leben die Schweine ohne Einstreu gewissermaßen über ihrem eigenen stinkenden Plumpsklo) von der Regierung wieder für ein paar Jahre durchgewunken. Wieso? Weil sonst der immense Fleischappetit („Bedarf“ ist an dieser Stelle nicht das richtige Wort) nur durch Billig-Importe gedeckt werden kann. Weil man ohne zusätzliches Personal nicht so viele Schweine auf so engem Raum gesund halten kann.
Anders als mit Vollspaltenböden könnten unsere Schweinebauern auch derzeit nicht wirtschaftlich arbeiten. Warum? Weil wir Fleischesser nicht bereit sind, Fleisch als etwas Besonderes anzusehen und etwas seltener, dafür teureres und besseres Fleisch zu kaufen.
Kleine Erfolgsnischen für das Spezielle gibt es immer, aber wir reden hier vom ungekennzeichneten Kantinen- und Wirtshausschnitzel, vom Schnitzelangebot vorm Einkaufszentrum, von der Schnitzelsemmel und von „Fleisch im Superangebot“.
Unten auf dem Bild sehen Sie mich (den Autor dieser Zeilen) mit zwei zufriedenen Schweinen in der Wiese liegen. Meine Frau und ich haben drei Sommer lang auf einer Alm gearbeitet mit jeweils zwei frei laufenden Schweinen, die uns neugierig begleiteten. Ich konnte die Tiere gut beobachten. Und ich weiß seit damals, dass sie nicht nur klug und reinlich sind (wenn man ihnen dafür Platz gibt), sondern auch liebenswert, fröhlich und grantig.
Und obwohl sie sich darin in nichts von einem Haushund oder eine Hauskatze unterscheiden, haben wir es damals geschafft, sie am Ende des Sommers schlachten zu lassen. Wie? Mit allem gebotenen Respekt für das Nutztier. Denn nur dann geht das, ohne wegzuschauen!
Wir sind nicht naiv. Natürlich kann man kein Land mit täglichem Fleisch versorgen (muss man das?), wenn alle Schweine eine große grüne Wiese bekommen. Aber die meisten von uns (auch ich noch vor ein paar Jahren) haben nicht nur das Gefühl für unsere Lebensmittel verloren, sondern auch den Respekt, den unsere Vorfahren ganz selbstverständlich dem erlegten Tier und seinem Fleisch entgegenbrachten.
Wir betreiben jetzt eine kleine Landwirtschaft
Die Schafe, die bei uns geboren werden, haben ein gutes Leben. Weil das so ist, weil wir die Verantwortung für sie haben, schaffen wir es auch, sie zu töten. Bei der Hofschlachtung sogar von eigener Hand. Klingt das verrückt? Könnten Sie dabei zusehen? Eigentlich sollten wir Fleischesser das alle einmal. Glauben Sie mir, es verändert die Wahrnehmung. Und ich denke nicht, dass man Vegetarier werden muss. Das Problem ist der Mangel an Respekt.
Unser nicht artgerechter Umgang mit Schweinen ist da nur ein Beispiel. Aber ein besonders schlimmes, weil Schweine wirklich sehr intelligent sind und eigentlich richtig viel Bewegung brauchen.
Dr. Marianne Wondrak hat in Österreich als Tierärztin und Verhaltensbiologin im Auftrag des Messerli Forschungsinstituts sieben Jahre lang ein Herde Kunekune-Schweine auf dem Haidlhof in Bad Vöslau von der Geburt weg beobachtet und begleitet. Sie sagt: „Das Verhalten und die soziale Lebensweise der neukaledonischen Geradschnabelkrähe ist besser untersucht als das unserer Hausschweine. Die Forschung steckt da wirklich in den Kinderschuhen.“
Nutztiere nicht nach den Regeln des Marktes halten
Und sie sagt: „Sobald wir ein Tier in Obhut nehmen, egal, welche Spezies, übernehmen wir Verantwortung. Wir sind damit moralisch verpflichtet, sie nach bestem Wissen so gut wie möglich unterzubringen und zu versorgen, unabhängig davon, welche Zukunft wir für sie bestimmt haben. ‘So gut wie möglich‘, beinhaltet angepasst an die Bedürfnisse der Tiere und nicht an die Bedürfnisse von Produktionsschritten oder eines Marktes für möglichst billiges Fleisch.“
Was Wondrak in den sieben Jahren unter anderem herausgefunden hat?
Tobias Micke, Kronen Zeitung
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