Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) hat entschieden, dass es keine Genehmigung für die geplante Marchfeld-Schnellstraße (S8) gibt. Das Verfahren zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) wurde „aufgrund von Mängeln im Behördenverfahren und der Missachtung naturschutz- und artenschutzgesetzlicher Bestimmungen“ an das Umwelt- und Verkehrsministerium zurückverwiesen, teilte das BVwG anlässlich der am Freitag veröffentlichten Entscheidung mit. Das Land NÖ kündigte Rechtsmittel an. Laut Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) solle nun unmittelbar mit der Prüfung und Planung von Alternativen begonnen werden.
Das Ministerium muss laut BVwG eine Alternativenprüfung durchführen. Bei dieser sei zu klären, „ob keine alternative Trassenführung möglich ist, die zu geringeren Auswirkungen führt, und ob zwingende Gründe des öffentlichen Interesses das Interesse des Naturschutzes überwiegen“.
18 Beschwerden gegen positiven UVP-Bescheid
Das Umweltministerium hatte mit dem Bescheid von April 2019 die Umweltverträglichkeit der S8 im Abschnitt West (Knoten S1/S8 bis Anschlussstelle Gänserndorf/Obersiebenbrunn) bestätigt und damit die Errichtung genehmigt. Aufgrund von 18 Beschwerden gegen den positiven UVP-Bescheid war das BVwG am Zug. Das Verfahren hat ergeben, dass die „Bestimmungen des Artenschutzes sowohl betreffend den Triel als auch das Ziesel durch den Bau und den Betrieb der S8 verletzt werden“.
„Man kann darüber nur den Kopf schütteln“
Niederösterreichs Mobilitätslandesrat Ludwig Schleritzko (ÖVP) erklärte: „Das Verkehrsministerium und die Asfinag hätten die nun geforderte Alternativenprüfung von Anfang an durchführen können. Stattdessen kostet ein derartiger Verfahrensfehler nun der Bevölkerung im Marchfeld wieder Zeit bis zur Entlastung. Man kann darüber nur den Kopf schütteln.“ Das Land Niederösterreich werde gegen die BVwG-Entscheidung Rechtsmittel bei den Höchstgerichten ergreifen.
Es gibt Projekte die vor zwanzig oder dreißig Jahren geplant wurden, aber für die aktuellen Herausforderungen nicht länger passende Lösungen liefern.
Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne)
Unmittelbare Planung von Alternativen
„Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts bestätigt eines - es gibt Projekte die vor zwanzig oder dreißig Jahren geplant wurden, aber für die aktuellen Herausforderungen nicht länger passende Lösungen liefern“, reagierte Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne). Genau aus diesem Grund werde aktuell das Asfinag-Bauprogramm evaluiert „und diese Entscheidung wird dort natürlich umfassend berücksichtigt werden“. Das Umweltschutzministerium werde jetzt unmittelbar die Prüfung und Planung von Alternativen zur S8 beginnen. Das Land Niederösterreich sei eingeladen, daran teilzunehmen.
Zwiespältig sah Wolfgang Rehm, Sprecher der beschwerdeführenden Umweltorganisation Virus sowie der Bürgerinitiative Marchfeld, die Entscheidung des BVwG. Es sei gut, dass der UVP-Bescheid nun annulliert sei. Aktuell würde „das Ende der S8“ aber weiter hinausgezögert. „Das Bundesverwaltungsgericht hätte selbst entscheiden und den Antrag abweisen müssen“, wurde in einer Aussendung festgehalten. Gefordert wurden eine alternative Verkehrslösung für das Marchfeld und eine Offensive bei der Raumordnung „samt Rückwidmung von Baulandreserven“.
Die NEOS NÖ sprachen von einer „Ohrfeige“ für die Landesregierung: „Anstatt hier für eine rasche Lösung für die verkehrsgeplagte Bevölkerung einzutreten, wollte das Land lieber mit dem Kopf durch die Wand.“ Die Grünen würden seit Jahren auf eine rasche Entlastung mit Ortsumfahrungen hinweisen, übte Helga Krismer, Landessprecherin der NÖ Grünen, Kritik an der ÖVP.
Die S8 ist eines jener Asfinag-Neubauvorhaben, die derzeit vom Umwelt- und Verkehrsministerium auf den Klimaschutz und Ressourcenverbrauch evaluiert werden. Der Abschnitt West ist rund 14,4 Kilometer lang und umfährt Raasdorf, Deutsch Wagram, Markgrafneusiedl, Strasshof, Obersiebenbrunn und Gänserndorf. Mit der Schnellstraße sollen die an der B8 liegenden Ortsdurchfahrten entlastet werden.
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