Viele Fälschungsfälle?
Putin-Partei feiert Sieg, aber mit Verlusten
Bei der Wahl der neuen Staatsduma steuert die Kremlpartei Geeintes Russland auf einen Sieg zu. Die Machtbasis des russischen Präsidenten Wladimir Putin kommt nach Auszählung von rund 50 Prozent der Stimmen auf 45,9 Prozent, wie die Wahlkommission in der Nacht auf Montag mitteilte. Die Regierungspartei feierte bereits kurz nach Wahlschluss ihren Sieg in der Hauptstadt Moskau. Rund um die Wahl hatte es zuvor unzählige Manipulationsvorwürfe gegeben.
2016 hatte Putins Machtbasis noch rund 54 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen können. „Rossija, Rossija!“, riefen Menschen trotz Regens auf der Straße in der russischen Hauptstadt mit Fahnen der Kremlpartei. „Wir sind die Mannschaft Putins“, riefen kremltreue Aktivisten. Parteifunktionäre sagten bei einem Auftritt, dass der Kurs Putins fortgesetzt werde. Der Ausgang der Wahl sei ein „Festtag“, sagte Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin.
Angesichts stagnierender Einkommen, der Pandemie-Politik und des harten Durchgreifens gegen Regierungskritiker hatten die Zustimmungswerte für Putin und seine Machtbasis doch deutlich nachgelassen. Die Kommunisten kommen ersten Ergebnissen zufolge auf 21,5 Prozent und die nationalistische LDPR auf 8,1 Prozent. Beide Oppositionsparteien stützen Putin in zentralen politischen Fragen. Ins Parlament geschafft hat es auch wieder Gerechtes Russland mit 7,6 Prozent. Als fünfte Partei konnte sich die neue Kraft Nowyje Ljudi (auf Deutsch: Neue Leute) Hoffnung auf den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde machen. Sie kam den ersten Ergebnissen zufolge auf sechs Prozent
Tritt Putin 2024 wieder an?
Seit Freitag konnte abgestimmt werden, die letzten Wahllokale in dem Riesenland mit mehreren Zeitzonen schlossen am Sonntag um 20 Uhr MESZ. Die Parlamentswahl ist die letzte Abstimmung vor der Präsidentschaftswahl 2024. Putin, der nächsten Monat 69 Jahre alt wird, hat bisher nicht gesagt, ob er kandidieren wird.
Opposition von Wahl ausgeschlossen
Die Opposition um den inhaftierten Kremlgegner Alexej Nawalny war ausgeschlossen von der Abstimmung, die erstmals für drei Tage angesetzt war. Die Wahlbeteiligung wurde wenige Stunden vor Schließung der Wahllokale mit rund 45 Prozent angegeben.
In den vergangenen Monaten waren die russischen Behörden massiv gegen die Opposition vorgegangen, weshalb der Sieg von Geeintes Russland de facto bereits vor dem Urnengang feststand. Die dreitägige Wahl selbst wurde von massiven Manipulationsvorwürfen überschattet. Die Wahlbeobachtungsorganisation Golos erklärte, bei ihr seien fast 4000 Berichte über Wahlbetrug eingegangen.
Stimmungstest für Putin
Bei der Wahl wurde über die 450 Sitze in der Duma sowie über lokale und regionale Volksvertretungen entschieden. Rund 108 Millionen Menschen waren wahlberechtigt. Die Wahl galt als ein wichtiger Stimmungstest für Kremlchef Putin und seine Politik. Viele Menschen in Russland sind Umfragen zufolge unzufrieden mit der Lage wegen sinkender Löhne und massiv steigender Preise. Die Kremlpartei Geeintes Russland war im Vorfeld dafür verantwortlich gemacht worden. Ihre Umfragewerte hatten unter 30 Prozent gelegen.
Rund um die Wahl hatte es zahlreiche Meldungen über Manipulationen gegeben. Für eine hitzige Debatte hatte zudem die Uhr von Machthaber Putin gesorgt. Nicht wegen der Preisklasse, in der sich der Chronograf der Firma Blancpain befindet (10.000 Euro aufwärts ...). Sondern wegen des Datums, das auf dem Ziffernblatt angezeigt wird. Videoaufnahmen zeigen, dass der Staatschef laut seiner Uhr seine Stimme nämlich bereits am 10. September abgab - und damit drei Tage vor Wahlbeginn.
Wahlkommission will Tausende Beschwerden prüfen
Besonders aus Putins Heimatstadt St. Petersburg wurden Betrugsvorwürfe berichtet. Dort kämpften die Menschen regelrecht um ihre Stimmen, wie auf Videos zu sehen war. Vielfach wurden Wahlurnen vollgestopft mit packenweise vorausgefüllten Stimmzetteln. Es gab zudem Berichte über Wählerzwang etwa unter Staatsbediensteten sowie über Mehrfachstimmabgaben. Mithilfe von Überwachungskameras wurden einige Fälle dokumentiert - und in sozialen Medien verbreitet. Ein Video zeigt eine Helferin in einem Wahllokal in der Stadt Kemerowo im Westen Sibiriens. Sie stellte sich demonstrativ vor eine Wahlurne. Hinter ihr ist eine Hand zu sehen, die neben einer russischen Fahne immer wieder vermutlich Stimmzettel in die Urne steckt. Die Frau schaut verlegen in den Raum.
Eine andere Aufnahme zeigt, wie ein Wischmopp vor eine Überwachungskamera gehalten wird, die eigentlich eine Wahlurne im Blick haben soll. Die Wahlkommission hatte im Vorfeld versprochen, dass die Videoübertragungen auch in Internet zu sehen sein sollten. Nun hieß es, es würden sämtliche Beschwerden geprüft. Bis Sonntagabend wurden mehr als 8500 Stimmzettel annulliert, hieß es. Wahlleiterin Ella Pamfilowa meinte, es seien bisher zwölf Fälle bestätigt, bei denen Stimmzettel packenweise in die Urnen gestopft wurden. Auch die Kommunisten, die angesichts der verbreiteten Unzufriedenheit mit der Politik des Kremls auf einen Stimmzuwachs hoffen, beklagten vielfach Verstöße. Sie kündigten Proteste an.
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