Ohne synthetische Kraftstoffe sind die Klimaziele nicht zu erreichen. Dieser Auffassung sind übereinstimmend die Referenten des 15. Berliner Automobildialogs, der vom Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) als Online-Diskussion ausgerichtet wurde. Da auch ein eventuelles Verbot für Neuzulassungen von Verbrennungsmotoren nur geringfügige Auswirkungen auf die bis dahin erreichte Flotte an Bestandsfahrzeugen hätte, sei der Ausbau der sogenannten E-Fuels dringend erforderlich.
Zwar mit wechselnder Intensität, aber unüberhörbar kritisiert wurde deshalb auch die scheuklappenartige Fokussierung großer Teile der Pkw-Industrie auf die Elektrifizierung der Modellreihen. Der Verbrenner habe durchaus eine Zukunft, hieß es allgemein, er müsse nur mit klimaneutral erzeugten Kraftstoffen betrieben werden. Die dafür notwendige Herstellungstechnik sei ausgereift, es fehle lediglich an umfangreichen Erzeugungskapazitäten. Die gegenwärtig in der Öffentlichkeit kursierenden Laborpreise dürften nicht zum Maßstab für die industrielle Größenordnung gelten.
Porsche geht bei E-Fuels voran
Dass es bei den Autoproduzenten noch keine einheitliche Meinung zu den Chancen und Perspektiven von E-Fuels gibt, verdeutlicht ein Beispiel aus dem VW-Konzern: Während Audi seine Mitwirkung an einer E-Gas-Versuchsanlage im ostfriesischen Werlte aufgegeben hat, überraschte Porsche jüngst mit der Beteiligung an einem Projekt in Chile, wo gemeinsam mit Siemens und anderen Partnern regenerativer Strom für die Erzeugung von klimaneutralem, synthetischem Kraftstoff genutzt werden soll. Der könnte sowohl in Neuwagen als auch in Bestandsfahrzeugen mit Verbrennungsmotor eingesetzt werden.
E-Autos „umweltfreundlich“ trotz Kohlestrom
Laut Ralf Diener, Geschäftsführer der „eFuel-Alliance“, der unter anderem Autohersteller und -zulieferer angehören, gelte es zunächst, die politischen Rahmenbedingungen zu beeinflussen, damit aus der Erzeugung von klimaneutralem Sprit auch ein tragfähiges Geschäftsmodell für Anbieter werden könne. Einerseits gelte gegenwärtig selbst ein Elektroauto, das mit 100 Prozent Kohlestrom fahre, als klimaneutral und förderfähig, weil es null Gramm CO2 ausstoße. Andererseits basiere die Besteuerung von Trägermedien noch immer auf ihrer Energiedichte und nicht auf der tatsächlichen CO2-Bilanz.
Hier fehle es an einer ausgewogenen und gerechten Regulierung seitens der Europäischen Union. Da Deutschland in der EU eine gewichtige Rolle spiele und sich andere Staaten energiepolitisch an der Haltung Deutschlands orientierten, komme der bevorstehenden Bundestagswahl im Hinblick auf wünschenswerte Veränderungen eine große Bedeutung zu.
„Verbrennerverbote sind falsch“, konstatierte Diener, denn europäische Insel-Lösungen seien im globalen Maßstab nur wenig wirksam. Weiter steigende Mobilitätsbedürfnisse in anderen Teilen der Welt ließen ein gänzliches Verschwinden des Verbrenners unrealistisch erscheinen.
„E-Fuels werden leistbar“
Ein „gigantisches Wertschöpfungspotenzial“ sieht der SPD-Bundestagsabgeordnete Andreas Rimkus im Ausbau der E-Fuel-Wirtschaft, für die er „Schranken und Hürden beseitigen“ will. Nach Ansicht von Elmar Kühn liegt ein Hauptproblem nicht in der Erzeugung von sauberer Energie, denn in vielen Regionen der Welt gebe es mehr als genug Wind und Sonne. Vielmehr müsse ihre Verteilung besser organisiert werden, meint der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes mittelständischer Mineralölunternehmen. Sein Verband engagiert sich ebenfalls für den verstärkten Einsatz synthetischer Kraftstoffe, deren Verwendung sowohl zur Sicherung von Arbeitsplätzen in der Industrie der konventionellen Antriebssysteme beitragen, als auch zur Schaffung von neuen Jobs dienen könnte. Seiner Meinung nach existiere ein Klimavorteil batterieelektrischer Fahrzeuge bei Einbeziehung aller Faktoren gar nicht. Weil die Bestandsflotte für eine anhaltende Nachfrage sorge, die vorhandene Tankinfrastruktur eine zuverlässige Verteilung ermögliche, sieht er synthetischen Sprit auch preislich konkurrenzfähig. Der sei „mittelfristig für rund einen Euro herstellbar“.
200 Millionen Tonnen Sprit pro Jahr nötig
Laut Berechnungen der Robert Bosch GmbH werden um das Jahr 2030 noch bis zu vier Fünftel der im Verkehr zugelassenen Fahrzeuge mit einem Verbrennungsmotor ausgestattet sein. Die „Verweildauer im Markt ist sehr hoch“, sagt Björn Noack, der bei Bosch Direktor für nachhaltige Mobilitätsstrategie ist. Das leuchtet deshalb ein, weil die verwendete Technik langlebig und die Fertigungsqualität hoch ist. Diese „Altfahrzeuge“ benötigten rund 200 Millionen Tonnen Sprit jährlich. Es gehe darum, diese Menge sukzessive durch E-Fuels zu ersetzen. Ohne synthetische Kraftstoffe, so Noack, „sind die Klimaziele nicht zu erreichen“.
Vor diesem Hintergrund erscheint es unverständlich, warum bereits ausentwickelten Produkten die behördliche Genehmigung für großflächigen Einsatz verweigert wird. Ein von Bosch intern verwendeter klimaneutraler Sprit beispielsweise wurde wegen eines angeblichen unzulässigen Palmölanteils die Zulassung verweigert. (aum)
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