Brief an Guterres

Taliban wollen bei UNO-Generaldebatte sprechen

Ausland
22.09.2021 07:18

Nach der Machtübernahme in Afghanistan wollen die militant-islamistischen Taliban das Land auch offiziell auf der Bühne der Vereinten Nationen vertreten. In einem Brief an UNO-Generalsekretär António Guterres erbittet Taliban-Außenminister Amir Chan Motaki das Recht, bei der laufenden 76. Generaldebatte der Vollversammlung in New York zu sprechen. Das Schreiben war vom Außenministerium des „Islamischen Emirats von Afghanistan“ an das UNO-Hauptquartier geschickt worden.

In dem Brief argumentieren die Taliban mit den faktischen Machtverhältnissen: „Mohammad Ashraf Ghani wurde abgesetzt und Länder auf der ganzen Welt erkennen ihn nicht mehr als Präsidenten an“, heißt es darin. Tatsächlich sind die Islamisten nach ihrem Siegeszug angesichts des desaströsen Truppenabzugs der NATO-Staaten die Herrscher des Landes. Deutschland, die USA und andere Länder sehen die Taliban nach dem Kollaps der afghanischen Armee und der Flucht von Präsident Ghani als Ansprechpartner und Machthaber. Sie erkennen sie aber nicht als legitime Regierung an.

(Bild: APA/Getty Images via AFP/GETTY IMAGES/SPENCER PLATT)

Aus dem Brief des Taliban-Außenministeriums geht den Vereinten Nationen zufolge außerdem hervor, dass die Taliban den bisherigen afghanischen UN-Botschafter durch einen eigenen Sprecher ersetzen wollen. Das UN-Sekretariat leitete das Schreiben an den zuständigen Beglaubigungsausschuss zur Prüfung weiter.

In Kabul haben die Islamisten die Macht übernommen, mehrere westliche Länder sehen die Taliban daher bereits als Ansprechpartner. (Bild: APA/AFP/BULENT KILIC)
In Kabul haben die Islamisten die Macht übernommen, mehrere westliche Länder sehen die Taliban daher bereits als Ansprechpartner.

„Mitgliedsstaaten erkennen Regierungen an“
Dieser Beglaubigungsausschuss besteht aus Vertretern von neun Mitgliedsländern - den USA, Russland, China, Schweden, Namibia, den Bahamas, Bhutan, Sierra Leone und Chile - und hat laut UN-Sprecher Farhan Haq die Entscheidungsgewalt darüber, welche Vertreter und damit auch welche Führungen von Staaten bei den Vereinten Nationen anerkannt werden. „Nicht die UN erkennen Regierungen an, das tun ihre Mitgliedsstaaten“, erklärte Haq.

Tatsächlich gab es in der Geschichte der Vereinten Nationen bereits Fälle, bei denen UN-Vertreter nicht mit den herrschenden Machthabern ihres Landes verbunden waren. So kontrollierten die Taliban Kabul bereits seit Mitte der 1990er Jahre bis 2001 - bei den UN wurde Afghanistan währenddessen aber weiter vom Botschafter der Vorgängerregierung vertreten, weil die Staatengemeinde die Taliban nicht anerkannte und dies bis heute nicht getan hat.

Nordkorea hat auch eine UNO-Vertretung
Auch aktuell gibt es einen ähnlichen Fall: Myanmars Vertreter Kyaw Moe Tun begann seine Arbeit ebenfalls vor dem Putsch in seinem Heimatland im Frühjahr. Nach seinen markigen Verurteilungen des Militärs versuchte ihn die Regierung zu ersetzen. Bisher erfolglos, denn der Beglaubigungsausschuss widersetzte sich. Dabei kann es für die Staatengemeinschaft auch Vorteile haben, direkte Ansprechpartner unter Autokratien bei der Welt-Organisation zu haben. So hat zum Beispiel auch Nordkorea eine Vertretung in New York.

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