Mercedes, Amazon, Walmart, Ikea, Klarna - eines eint diese Firmen, die auf den ersten Blick wenig gemein haben: Sie machen den angestammten Banken Konkurrenz. Das Motto: Jeder kann heutzutage Banker sein, vorausgesetzt er hat die richtige Software. Junge Firmen aus der Finanztechnologiebranche liefern den Konzernen die Technik, die den Finanzvermittler überflüssig macht. Sie ermöglicht Firmen, ihren Kunden Bankdienstleistungen, Kredite oder Versicherungen anzubieten.
Dieses Geschäft, „embedded finance“ genannt, entdecken immer mehr Unternehmen, denn es bietet eine breite Palette von Möglichkeiten. So können etwa Mercedes-Fahrer mit ihrem Auto über eine App oder das Mercedes-Infotainment-System direkt an der Tankstelle kontaktlos bezahlen, ohne überhaupt noch an die Kasse gehen zu müssen oder mit ihrer Karte an der Zapfsäule zu bezahlen. Ein anderes Beispiel für die Dienstleistungen sind etwa die Ratenzahlungen („buy now pay later“, BNPL), die auf dem Vormarsch sind. So bietet etwa Amazon seinen Kunden beim Kaufabschluss die Möglichkeit, jetzt zu kaufen und später zu bezahlen.
Zwar stehen hinter den meisten solchen Transaktionen immer noch Banken, aber nach Meinung von Analysten besteht die Gefahr, dass die Institute mehr in den Hintergrund gedrängt werden. Damit würden den Geldhäusern auch die wertvollen Kundendaten entgehen, die die Konzerne und Fintechs sammeln und die diesen einen weiteren Vorteil im Wettbewerb mit den Geldhäusern verschaffen könnten.
Die eingebetteten Finanzdienstleistungen hievten den sogenannten Querverkauf - also die zusätzlichen Produkte und Dienstleistungen zum eigentlichen Verkauf - auf neue Höhen, sagt Matt Harris, Partner beim Finanzinvestor Bain Capital Ventures. Dieser fuße auf der Sammlung von Daten mittels Software. So wüssten die Firmen sehr viel über ihre Kunden.
Konkurrenz von den Fintechs
Noch stehen die meisten Fintech-Firmen am Anfang und haben nicht die Größe und Finanzkraft der großen Bankhäuser. Analysten gehen aber davon aus, dass die Banken reagieren müssen, wenn die Fintechs es schaffen, ihnen einen Teil des digitalen Zahlungsverkehrs abzuluchsen. Die Beratungsfirma Accenture schätzt, dass 2019 acht Prozent des weltweiten Umsatzes auf das Konto neuer Unternehmen im Bezahlmarkt gingen. Dieser Anteil dürfte in der Corona-Pandemie gestiegen sein.
„Große Banken und Versicherer werden den Kürzeren ziehen, wenn sie nicht schnell handeln und herausfinden, wo sie in diesem Markt mitspielen können“, sagt etwa Simon Torrance, Gründer von Embedded Finance & Super App Strategies.
Investoren wittern großes Geschäft
Die Fintechs sind auf dem Vormarsch: Die Bewertungen der Firmen in dem Sektor steigen, Investoren pumpen in der Hoffnung auf eine gute Anlage Geld in die Firmen und Zusammenschlüsse und Zukäufe in der Branche nehmen zu. Im März wurde die Bezahlplattform Stripe, die Amazon und Google zu ihren Kunden zählt, mit 95 Milliarden Dollar (rund 81 Milliarden Euro) bewertet. In den Bereich „embedded finance“ haben Investoren heuer bislang laut Daten von PitchBook schon 4,25 Milliarden Dollar gesteckt, das Dreifache im Vergleich zum Betrag im gesamten vergangenen Jahr.
Alleine der schwedische Bezahldienst Klarna sammelte 1,9 Milliarden Dollar ein. In die Berliner Solarisbank steckten Investoren 190 Millionen Euro. Die Firma bietet eine Plattform an, an die sich andere Unternehmen anbinden können, um selbst Anbieter von Finanzdienstleistungen zu werden.
Gerade die Ratenzahlungsanbieter boomen seit der Corona-Krise. So hat etwa das US-Fintech Square im August die Übernahme des australischen BNPL-Anbieters Afterpay für 29 Milliarden Dollar angekündigt. Square ist inzwischen 113 Milliarden Dollar wert - mehr als die mit 105 Milliarden Dollar höchstbewertete europäische Bank HSBC.
Einzelhandel und Industrie wollen mitmischen
Neben den Fintechs lauern der Einzelhandel und andere traditionelle Unternehmen darauf, ein Stück vom Bankengeschäft abzubekommen. So gründete etwa der US-Supermarktriese Walmart mit der Investmentfirma Ribbit Capital im Jänner ein Fintech, um Finanzprodukte für Mitarbeiter und Kunden zu entwickeln.
Der schwedische Möbelhändler Ikea beteiligte sich im August an der Ratenzahlungsfirma Jifti. Neben Mercedes arbeiten auch Audi und Jaguar Land Rover an einer Bezahlfunktion über das Auto. Die Kunden erwarteten, dass Dienstleistungen direkt integriert würden und dass sie außerdem bequem, digital und sofort zugänglich seien, sagte Roland Folz, Chef der Solarisbank.
Banken schmieden Bündnisse
Einige Banken haben die Gefahr erkannt und wagen sich nun ebenfalls auf das Feld der integrierten Finanzdienstleistungen. So hat sich Citigoup mit Google bei Bankkonten zusammengetan, Goldman Sachs bietet Kreditkarten für Apple an. J.P. Morgan sicherte sich 75 Prozent an Volkswagen Payments. So wolle man unter anderem das System für direktes Bezahlen von Autos aus auf andere Branchen ausweiten.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.