Nachzählung gefordert
Hunderte protestieren gegen Wahlergebnis in Moskau
Rund eine Woche nach der von Betrugsvorwürfen überschatteten russischen Parlamentswahl hat Präsident Wladimir Putin die Abstimmung als frei und fair gelobt. „Die Wahlen selbst verliefen offen und in strenger Übereinstimmung mit den Gesetzen“, sagte er Samstagnachmittag bei einem Gespräch mit Spitzenpolitikern aller in der neuen Staatsduma vertretenen Parteien. Fast zeitgleich protestierten in Moskau Hunderte Menschen gegen das Ergebnis, das sie für manipuliert halten.
Zu der nicht genehmigten Kundgebung auf dem zentralen Puschkin-Platz aufgerufen hatten die Kommunisten, die bei der Wahl mit 18,9 Prozent der Stimmen den zweiten Platz hinter der Kremlpartei Geeintes Russland belegt haben. Die Abgeordneten forderten unter anderem eine Nachzählung der online abgegebenen Stimmen. Diese sind nach Einschätzung der Opposition systematisch gefälscht worden.
Gefangenentransporter standen bereit
Unter den Demonstrierenden waren auch einige Menschen, die Plakate zur Unterstützung des inhaftierten Kremlgegners Alexej Nawalny in die Höhe hielten. Rund um den Puschkin-Platz war die Polizei mit großem Aufgebot und Gefangenentransportern vor Ort. Anders als bei großen Nawalny-Protesten Anfang des Jahres gab es dieses Mal allerdings keine Berichte über Festnahmen während der Aktion. Angaben des Bürgerrechtsportals Owd-Info zufolge wurde allerdings später ein Teilnehmer in der Nähe des Roten Platzes festgenommen.
Die Moskauer Polizei gab die Teilnehmerzahl mit 400 an, unabhängige Beobachter hingegen sprachen von rund 1000 Demonstranten. Nicht zur Kundgebung gekommen war der Parteichef der Kommunisten, Gennadi Sjuganow: Er nahm an dem Treffen mit Putin teil. Die Kommunisten gelten - wie alle in der Duma vertretenen Parteien - als recht kremltreu.
Putin betonte bei dem im Videoformat abgehaltenen Gespräch, es zeuge von einem demokratischen Wahlprozess, dass mit der Partei Nowyje Ljudi (Deutsch: Neue Leute) erstmals seit vielen Jahren eine fünfte Kraft den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde geschafft habe. Wie bereits zuvor sind im Parlament mit seinen 450 Sitzen zudem die Kremlpartei Geeintes Russland, die Kommunisten, die Rechtspopulisten der LDPR und die Partei Gerechtes Russland vertreten.
Die dreitägige Abstimmung am vergangenen Wochenende galt mit Blick auf die Präsidentenwahl 2024 auch als Stimmungstest für Putin. Der 68-Jährige gratulierte nun insbesondere der Kremlpartei, die seinen Kurs unterstützt und die bewiesen habe, „dass sie nach wie vor führend“ sei. Trotz Verlusten konnte Geeintes Russland nach offiziellen Angaben mit 49,8 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit in der Duma verteidigen.
Die Betrugsvorwürfe - insbesondere in Bezug auf online abgegebene Stimmen - tat Putin ab: Die Vorbehalte gegenüber E-Voting seien nur deshalb aufgekommen, „weil irgendjemandem das Ergebnis nicht gefallen hat“. Opposition und unabhängige Wahlbeobachter sind hingegen überzeugt davon, dass das Ergebnis der Wahl systematisch manipuliert wurde. Vor allem der Umgang mit den Online-Stimmen Moskauer Wähler hat große Diskussionen ausgelöst. Ihre Resultate wurden erst recht spät veröffentlicht, und sie beeinflussten das Endergebnis zugunsten von Geeintes Russland.
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