Versagensprotokoll

Messer-Attacke auf Schaffner: Täter eingewiesen

Niederösterreich
28.09.2021 17:11

Das Messerattentat auf einen ÖBB-Schaffner, das ihn fast das Leben gekostet hat, wäre zu verhindern gewesen - sagt eine erfahrene Gerichtspsychiaterin beim Prozess in Wien und gibt „beteiligten Institutionen eine Mitverantwortung“. Der Täter (17), der geisteskrank ist, wurde falsch behandelt, abgewimmelt, weggeschickt ...

Warum Karl (Name geändert) zugestochen hat, weiß er nicht mehr. Er rammte einem Schaffner in einer Schnellbahn ein Messer in die Brust, das seine Schlagader knapp verfehlte. Der Mann ist fürs Leben gezeichnet. „Ich dachte, ich sterbe“, sagte er.

Verteidiger Rudolf Mayer (Bild: EXPA/ Erich Spiess)
Verteidiger Rudolf Mayer

Therapieplatz „aus formalen Gründen“ abgelehnt
All das hätte nicht passieren dürfen, hätte das System funktioniert, ist Gutachterin Gabriele Wörgötter im Prozess gegen den Jugendlichen überzeugt. Das Problem bestand darin, dass er zunächst bei der Großmutter in Tulln aufwuchs. Doch die Frau war mit dem am Asperger-Syndrom leidenden Jugendlichen überfordert. Das Wiener Jugendamt übernahm das Sorgerecht - und letztlich war niemand für ihn zuständig.

So konnte es passieren, dass ein Krankenhaus einen Therapieplatz „aus formalen Gründen“ ablehnte. Karl (17) bekam das falsche Medikament und keine so dringend notwendige Psychotherapie

Gutachterin Gabriele Wörgötter (Bild: Gerhard Bartel)
Gutachterin Gabriele Wörgötter
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Beteiligte Institutionen sind mitverantwortlich für die tragischen Ereignisse. Schuld war wohl mangelnde Vernetzung.

Gutachterin Gabriele Wörgötter

Computerdaten nicht geprüft
Als er nach Drohungen gegen eine Mitschülerin wieder in eine Psychiatrie kam, schaute niemand in den Computer. Dort wäre aufgeschienen, dass bereits ein Strafverfahren wegen Stalking lief, mit Verdacht auf eine Geisteskrankheit.

Gipfelpunkt der Absurdität: Nach neuerlichen Drohungen gegen die Oma versuchten Polizisten Karl in eine Psychiatrie einzuliefern. Doch eine diensthabende Ärztin lehnte ab. Karl landete in einer Notschlafstelle in Wien. Am nächsten Tag stieg er in den Zug nach Tulln. Der Schaffner kam, fragte nach der Fahrkarte, und Karl griff zum Messer.

Die Chance für eine Behandlung schätzt Gutachterin Wörgötter als schlecht ein. Die Einweisung war Formsache.

Porträt von Peter Grotter
Peter Grotter
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