Dass das „Graue Haus“, wie die Justizanstalt in der Josefstadt von den Wienern genannt wird, aus allen Nähten platzt, ist ein offenes Geheimnis. Da gleichzeitig auch zu wenig Personal vorhanden ist, arbeiten alle Beteiligten am Limit. Die „Krone“ besuchte das Zuhause von Mördern, Dealern und Terroristen.
Kriminelle Tür an Tür - doch es sind zu viele, und das nicht erst seit heute. Mit aktuell 1120 Insassen ist die Wiener Josefstadt nicht nur die größte, sondern auch die überfüllteste Haftanstalt im gesamten Land. Erlaubt wären an der Adresse nämlich lediglich 990 „Bewohner“. Aufrufe an die Politik, den Missstand zu ändern, verhallen seit vielen Jahren ungehört. Neben den 424 Justizwachebeamten betreuen auch 100 Ärzte, Sozialarbeiter und Pfleger den Häftlingsüberschuss nach besten Kräften - und das rund um die Uhr.
Einer von ihnen ist Dr. Klaus-Peter Kaiser-Mühlecker. Der ärztliche Leiter ist stolz auf die einzige Sonderkrankenanstalt Österreichs, wie sie genannt wird. Hier wird vom Schnupfen bis zur Leukämie alles behandelt, 70.000-mal im ganzen Jahr.
Lediglich Operationen werden nicht durchgeführt. Für Bodypacker, also Drogenschmuggler, die „Gift“ im Körper verstecken, stehen ebenso Zellen zur Verfügung wie für tobende Häftlinge und Corona-Kranke.
Wir schauen in eine der kargen Zellen für Tobende: Eine Matratze, ein vergittertes Fenster, mehr ist das nicht. Nebenbei werden 110 gefährliche Insassen im Maßnahmenvollzug psychologisch betreut, das Personal dafür reicht gerade so aus.
Forderung: Mehr Geld und mehr Angestellte
Was die geistig abnormen Rechtsbrecher betrifft, sei man „am Limit“, bestätigen alle Beteiligten. Beim „Krone“-Lokalaugenschein wird rasch klar: Die Angestellten des „Grauen Hauses“ - egal, ob in den 14 Betrieben im Haus oder bei der 60-köpfigen Einsatzgruppe für akute Notfälle - arbeiten mit Leib und Seele. Was sie aber alle fordern: mehr Personal, mehr Gehalt!
Wien braucht einen neuen Häfen - Ministerium winkt ab
Ist das Realitätsverweigerung? Nur noch den Kopf in den Sand stecken? Das „Landl“ ist seit vielen Jahren schwer überbelegt und platzt aus allen Nähten. Wien braucht ein neues, modernes Gefängnis. Das hat der nunmehrige Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (NEOS) bereits 2019 eingefordert.
Doch das zuständige Justizministerium unter Alma Zadic (Grüne) winkt - trotz aller Beschwerden der eigenen Belegschaft - ab. „Ein Neubau einer Justizanstalt ist nicht geplant“, erläutert eine Sprecherin auf „Krone“-Anfrage. Es gibt einzig das nebulose Bestreben, das bestehende Gefängnis sowie das Landesgericht (sind im gleichen Gebäudekomplex) zu sanieren. „Diese Überlegungen bestehen nach wie vor“, heißt es im Ministerium.
Aber Zeitplan oder ob es mehr Zellen geben wird - Fehlanzeige. Darüber herrscht Schweigen. Dabei ist die Situation ernst. „Die Justizwachebeamten sind am Rande ihrer Kräfte. Dazu kommt das Gefahrenpotenzial, das bei einer solchen Überbelegung erheblich ist“, beklagte Vizebürgermeister Wiederkehr vor zwei Jahren. Und er richtete die Forderung an die Bundesregierung: Wien braucht ein neues Gefängnis! Wiederkehr: „Es sind unhaltbare Zustände, das gefährdet die Sicherheit der Stadt.“ Die Zustände haben sich seither nicht gebessert. Doch die Zuständigen verschließen die Augen.
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