Groß angelegte Studie

Eineinhalb Jahre Corona: Zusammenhalt schwindet

Österreich
30.09.2021 05:57

Wie ist es um den Zusammenhalt in der Gesellschaft in Zeiten der Pandemie bestellt? Laut Daten des Austrian Corona Panel haben die Menschen das Gefühl, dass dieser im Laufe der Krise immer weiter verloren gegangen ist.

Eineinhalb Jahre Corona-Krise liegen hinter uns. Wir stecken mitten in der vierten Welle. Noch ist nicht abzusehen, wann wir alles überstanden haben. Doch wie ist es eigentlich um den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Zeiten der Pandemie bestellt?

Anfangs enorme Vertrauenswerte
Nachbarschaftshilfe für Risikogruppen, ein Vertrauensboom für die Bundesregierung und große Einigkeit bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie waren für die ersten Monate der Krise prägend. Im Frühjahr 2020 - wenige Wochen nach Ausbruch der Pandemie im Land - empfanden 62 Prozent, dass sich der Zusammenhalt erhöht hat, zeigen Daten des Austrian Corona Panel Projects (ACPP) der Universität Wien. Die Wissenschaftler des ACPP führen seit Pandemiebeginn regelmäßig Befragungen mit den jeweils gleichen 1500 Teilnehmern durch.

Das "virologische Quartett" der ersten Corona-Phase: der damalige Gesundheitsminister Rudolf Anschober, Vizekanzler Werner Kogler, Kanzler Sebastian Kurz, Innenminister Karl Nehammer (v.r.) (Bild: APA/HELMUT FOHRINGER)
Das "virologische Quartett" der ersten Corona-Phase: der damalige Gesundheitsminister Rudolf Anschober, Vizekanzler Werner Kogler, Kanzler Sebastian Kurz, Innenminister Karl Nehammer (v.r.)

Tiefpunkt im März 2021
An den Daten lässt sich jedoch deutlich ablesen, dass sich die Meinung der Bevölkerung in Sachen Zusammenhalt im Laufe der Pandemie deutlich verschlechtert hat. „Schon im Mai des Vorjahres sieht man bezüglich Wahrnehmung eines erhöhten Zusammenhalts einen deutlichen Rückgang, der sich im Laufe der Monate fortsetzt“, sagt Wirtschaftssoziologe und ACPP-Projektleiter Bernhard Kittel im „Krone“-Gespräch. Der Tiefpunkt wurde schließlich ein Jahr nach Pandemiebeginn erreicht: Nur noch zehn Prozent waren im März 2021 der Meinung, dass sich der Zusammenhalt erhöht hat. „Seither sehen wir wieder einen ganz leichten Anstieg. Aber bei Weitem nicht das Niveau, das wir am Anfang hatten“, so Kittel.

Wirtschaftssoziologe Bernhard Kittel (Bild: Luiza Puiu)
Wirtschaftssoziologe Bernhard Kittel

Experte für österreichweites Bürgerforum
Der Wirtschaftssoziologe stellt aber auch klar: „Wir haben es nicht mit einer echten gesellschaftlichen Spaltung im Sinne von zwei Blöcken zu tun.“ Damit der Zusammenhalt wieder wächst, schlägt er die Organisation eines landesweiten Bürgerforums vor, „wo Menschen mit den verschiedensten Sichtweisen in einer öffentlich sichtbaren Weise ins Gespräch kommen“.

Interview: „Widerspruch auf Social Media wirkt“
Digitalexpertin Ingrid Brodnig darüber, welche Rolle soziale Medien und Verschwörungsthemen bei der Spaltung der Gesellschaft spielen.

Ingrid Brodnig warnt davor, Verschwörungen aufzusitzen. (Bild: krone.tv)
Ingrid Brodnig warnt davor, Verschwörungen aufzusitzen.

„Krone“: Inwiefern hat sich der Zusammenhalt der Gesellschaft im Laufe der Pandemie verändert?
Ingrid Brodnig: In der Corona-Krise ist das Frustrationspotenzial besonders hoch. Wie sich andere verhalten, hat konkrete Auswirkungen auf einen selbst - und das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass erhitzt gestritten wird oder dass sogar Familien total gespalten sind.

Ob Corona-Maßnahmen, Impfung oder Aufnahme von Flüchtlingen - die Gesellschaft wirkt zunehmend gespalten. Welche Rolle spielen hier Verschwörungstheorien?
Die Gefahr bei Verschwörungsmythen ist, dass Menschen eine vermeintliche Wahrheit geliefert wird. Und wenn Leute solche extremen Ideen einmal gedanklich akzeptieren, ist es oft schwierig, sie argumentativ zu erreichen.

Soziale Medien befeuern die Spaltung der Gesellschaft. Können diese auch den Zusammenhalt in der Gesellschaft stärken?
Es gibt Anzeichen, dass Widerspruch und der sachliche Hinweis auf Fakten auf Social Media etwas bewirkt. Wenn man online auf Fakten hinweist, werden einem nicht alle glauben - aber manche schon. Das ist besser, als gar nicht zu diskutieren.

Porträt von Sandra Schieder
Sandra Schieder
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