„ … deine Beine sind so dick.“ Diesen nicht sehr netten Satz hat Miriam Berger oft gehört. Wie sie mit der Erkrankung lebt.
Bereits in der Pubertät merkte Miriam Berger (Name von der Red. geändert), dass ihre Beine immer kräftiger wurden. Besonders schlimm war es nach ihrer Schwangerschaft mit Anfang 20. „Sie schmerzten stark und fühlten sich schwer an“, berichtet die Wienerin. Darüber hinaus litt sie ständig an blauen Flecken, auch jede Berührung tat weh, v.a. an den Innenseiten der Beine.
Ein verletzender Rat: „Nimm einfach ab!“
„Mach Sport oder nimm ab“, bekam sie immer wieder als (kränkenden) Ratschlag zu hören. Wie viele Betroffene probierte sie nicht nur das aus, sondern eine Menge an kostspieligen Behandlungsmöglichkeiten wie Algenschlamm, Wickel, Koffeincremen und bestimmte Trainingsgeräte. Die krankhaft veränderten Fettzellen verschwanden dadurch aber natürlich nicht. Mit 29 Jahren ließ sie sich aus Leidensdruck sogar von einem Schönheitschirurgen die „Reiterhosen“ (Fettpölster im Hüft- und Pobereich) absaugen, was die Optik etwas verbesserte.
Die Erkrankung namens Lipödem wurde jedoch nicht erkannt, die damit verbundenen Schmerzen blieben. „Vor zehn Jahren erhielt ich endlich die richtige Diagnose, nämlich Lipödem Stadium I“, erzählt Miriam Berger. Voller Hoffnung reichte sie damals einen Kostenvoranschlag für einen Eingriff bei ihrer Krankenkasse ein. Abgelehnt - mit der Begründung, es handle sich um eine Schönheitsoperation. „Danach habe ich wieder einige Ärzte aufgesucht und ,herumexperimentiert‘“, so die Mutter einer erwachsenen Tochter.
„Beine wie eine Primaballerina wollte ich ohnehin nie haben, aber endlich diese Schmerzen loswerden.“ 2015 landete sie daher nochmals bei jenem Arzt, der ihr Problem erkannt hatte. „Mittlerweile waren meine Beine noch druckempfindlicher, selbst das Anziehen einer engen Hose war unerträglich“, schildert die Betroffene ihr Leid. Nach eingehender Untersuchung riet der Dermatologe und Lipödem-Experte erneut zur Operation.
„Dieses Mal habe ich trotz hoher Kosten eingewilligt. Ich wollte nicht mehr länger leiden. Das Geld dafür hab’ ich mir teilweise von Freunden ausgeborgt“, erzählt die Wienerin. „Der Eingriff - bei mir auf zwei Tage aufgeteilt - ist eine lymphschonende Fettabsaugung mit einer speziellen Kanüle. Das ist deshalb so wichtig, weil das Lymphsystem von Betroffenen wie mir ohnehin schon geschädigt ist. Dadurch unterscheidet sich diese Behandlung von einer ,normalen‘ Absaugung. Währenddessen war ich ansprechbar.“
Beine wie eine Primaballerina wollte ich ohnehin nie haben, aber endlich diese Schmerzen loswerden.
Miriam Berger (Name von der Red. geändert)
Nach dem Eingriff kaufte sie erstmals einen Bikini
Danach folgten Lymphdrainagen und Behandlungen mit einem speziellen Gerät (Lymphomat), das die Beine entstaut und die Durchblutung fördert. Das Endergebnis war nach etwa fünf Monaten ersichtlich. Der erste Bikini ihres Lebens krönte den Behandlungserfolg. Ein halbes Jahr nach dem Eingriff hat die Krankenkasse dann doch einen großen Anteil der Kosten übernommen, weil der Verein „ChronischKrank“ interveniert hatte.
Der Rest kam vom Unterstützungsfond der Krankenkasse - „diesen Tipp möchte ich unbedingt Betroffenen mit geringem Haushaltseinkommen geben“, klärt Miriam Berger auf. Heute spürt sie viel weniger Druck in den Beinen, der Berührungsschmerz hat ab- und ihr Selbstbewusstsein zugenommen.
Was versteht man unter einem Lipödem?
Schlanke Taille, dicke Oberschenkel, schmerzhafte Reiterhosen, Polster im Bereich der Oberschenkelinnenseiten, säulenartig geformte Beine. Die Füße sind jedoch schlank, weisen keine Schwellungen und Fettablagerungen auf. Mehr als 80 Prozent der Betroffenen leiden auch an den Armen an unproportionalen Fettablagerungen. Das sind die auffälligen Kennzeichen des Lipödems.
Diese angeborene (!) Fettverteilungsstörung (daher ist keine Besserung der Beschwerden durch Diäten und Sport möglich) an Beinen und Armen bei ansonsten schlankem bzw. wohlproportioniertem Körperstamm betrifft fast nur Frauen. Schon leichte Berührungen der Haut führen zu unangenehmen Druckschmerzen, geringes Anstoßen zu Blutergüssen. Leider wird das Lipödem hierzulande noch immer selten schnell und richtig diagnostiziert. Dabei ist eine Therapie notwendig, da die Beschwerden ansonsten zunehmen.
Auf den Seiten www.facebook.com/groups/lipoedemaustria und chronischkrank.at/verein/unsere-selbsthilfegruppen/lipoedem/ können sich Betroffene austauschen. Die SH-Gruppe ist auch per E-Mail erreichbar. Telefonische Beratung (Mo, Di, Do) unter 07223/82667.
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