Fall Sarah Everard
Nach Mord: Kritik an Polizei-Tipps für Frauen
Die Londoner Polizei kämpft nach der Verurteilung einer ihrer Beamten wegen des Mordes an der 33-jährigen Sarah Everard um das Vertrauen der Bevölkerung. Doch mit den jüngsten Verhaltensempfehlungen für Frauen als Reaktion auf den Mord hat sich die Exekutive wohl eher ein Eigentor geschossen und noch mehr Öl ins Feuer gegossen.
Die Londoner Polizei rät nämlich Menschen, die wegen des Verhaltens von Beamten verängstigt sind, an Türen zu klopfen, Passanten oder Fahrzeuge zu stoppen oder den Notruf zu wählen. Die Vorschläge seien „geradezu lächerlich, wenn es nicht so ekelhaft wäre“, sagte die Frauenrechtsaktivistin Patsy Stevenson der Nachrichtenagentur PA.
„Wieder wird Verantwortung auf Frauen gelegt“
Der Mörder von Everard, ein Polizist, hatte sein Amt und seine Ausrüstung missbraucht, um die 33-Jährige zu verschleppen. Die Frauenrechtsorganisation Reclaim These Streets, die nach dem Mord an Everard Proteste und eine Mahnwache organisiert hatte, sagte: „Wieder wird die Verantwortung auf die Frauen gelegt, sich selbst zu schützen - und was noch schlimmer ist, dass sie sich vor den Menschen schützen sollen, die sie beschützen sollen.“
Die Labour-Abgeordnete Bell Ribeiro-Addy twitterte, „dieser völlig lächerliche Ratschlag“ zeige, dass die Polizei Gewalt gegen Frauen immer noch nicht ernst nehme. „Und sie fragen sich, warum das Vertrauen so niedrig ist wie nie zuvor?“ In einem weiteren Tweet betonte die Oppositionspolitikerin: „Dies spielt genau in die abscheuliche Kultur der Täter-Opfer-Umkehr ein, die wir so oft sehen, wenn Frauen angegriffen werden.“ Die Ex-Chefin der schottischen Konservativen, Ruth Davidson, nannte die Ratschläge „so schlimm“. Die Metropolitan Police, die Polizeibehörde von Greater London, betonte hingegen, es handle sich um wenige Ausnahmesituationen, in denen Zivilpolizisten alleine unterwegs seien.
Schottische Regierungschefin: „Kommentare erschreckend“
Kritik an männlich dominierten Sichtweisen kam auch von der schottischen Regierungschefin Nicola Sturgeon. Mit Blick auf Aussagen eines Politikers, Everard hätte gewahr sein müssen, dass ihr Mörder sie nicht habe anhalten dürfen, betonte Sturgeon: „Die Kommentare sind erschreckend. Es liegt nicht an Frauen, dies zu ändern.“ Das Problem sei die männliche Gewalt, nicht das „Versagen“ von Frauen, immer erfinderischer beim Selbstschutz werden zu müssen, twitterte die Regierungschefin.
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