Historiker deckt auf:

Die wahre Geschichte des „Dieselprivilegs“

Tirol
06.10.2021 12:00

Die steuerliche Besserstellung des Diesels („Dieselprivileg“) hat den Ursprung nicht in der Ankurbelung der Land- und Transportwirtschaft in den 1960er-Jahren. Der Tiroler Historiker Wolfgang Meixner entdeckte in viel älteren Quellen erstaunliche Gründe.

Wie lange wird über das „Dieselprivileg“, also den steuerlichen Vorteil gegenüber dem Benzin um 8,5 Cent, schon diskutiert? Und der Diskurs geht weiter, weil diese Besserstellung durch die aktuelle Steuerreform nicht beseitigt wurde. Auch jener über die Entstehungsgeschichte.

Landläufig herrscht die Meinung, dass das „Dieselprivileg“ in den 1960er-Jahren eingeführt wurde, um der Wiederaufbauphase der Landwirtschaft und dem Transportgewerbe einen Vorteil zu verschaffen. Wolfgang Meixner, Historiker an der Uni Innsbruck, widerlegt diese Annahme. Der tatsächliche Ursprung enthüllte sich im Zuge der Archivarbeit im Rahmen seiner Habilitation.

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1949 wurde im Österreichischen Nationalrat erstmals eine unterschiedlich hohe Mineralölsteuer für Diesel und Benzin beschlossen, und zwar Diesel mit 10 und Benzin mit 26 Schilling für 100 kg Eigengewicht des Kraftstoffes.

Wolfgang Meixner

Ablieferung an Russen sollte verhindert werden
„1949 wurde im österreichischen Nationalrat erstmals eine unterschiedlich hohe Mineralölsteuer für Diesel und Benzin beschlossen, und zwar Diesel mit 10 und Benzin mit 26 Schilling für 100 kg Eigengewicht des Kraftstoffes“, so Meixner, „1950 wurde zudem ein zweckgewidmeter Zuschlag zur Mineralölsteuer zwecks Erhaltung der Bundesstraßen beschlossen. Für Diesel 20, für Benzin 52 Schilling.“

Wolfgang Meixner, Historiker an der Uni Innsbruck, fand im Zuge seiner Archivarbeit die tatsächlichen Wurzeln des „Dieselprivilegs“. (Bild: Meixner)
Wolfgang Meixner, Historiker an der Uni Innsbruck, fand im Zuge seiner Archivarbeit die tatsächlichen Wurzeln des „Dieselprivilegs“.

Aus den erläuternden Bemerkungen zu den Gesetzen werde der eigentliche Grund für das „Dieselprivileg“ ersichtlich: Das in den Zistersdorfer Ölfeldern geförderte Erdöl ergab eine nur geringe Ausbeute an Benzin, war dagegen aber sehr gut für Dieselöl. Um die Ablieferung des geförderten Erdöls an die sowjetrussische Besatzungsmacht zu verhindern, kam in der Regierung die Überlegung auf, den Bau von Dieselfahrzeugen sowie Dieselstandmotoren zu fördern und damit den Absatz von inländischem Diesel zu sichern. Auch Petroleum, von der Bevölkerung oft zu Kochzwecken verwendet, sollte billiger werden.

Länder profitierten von Steuer
„Ein zweiter Aspekt war“, so Meixner weiter, „den Ländern einen hohen Ertragsanteil an dieser Steuer zuzuweisen, um ihnen das Tragen der Straßenlast zu erleichtern.“ Natürlich hätten Landwirtschaft und Transportgewerbe profitiert, dies sei aber nicht der eigentliche Grund für die unterschiedliche Besteuerung gewesen.

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