Fünf Jahre lang war Ex-Abfahrtsweltcupsieger Christian Greber der Nachwuchschef des österreichischen Skiverbandes (ÖSV). Im Frühjahr gab der Vorarlberger den Job ab und wechselte in die Entwicklungsabteilung. Im großen „Krone-Interview“ spricht der Mellauer sehr offen über jene Gründe, die ihn dazu brachten, den Job zu wechseln, die Zusammenarbeit mit den Skifirmen und das Verhältnis zu seinem - extrem talentierten - Sohn Jakob.
Krone: Christian, im Frühling haben Sie Ihren Job als ÖSV-Nachwuchschef zurückgelegt. Warum?
Christian Greber: Der Job, den ich die letzten fünf Jahre gemacht habe, ist extrem kräftezehrend und sehr fordernd. Als mich ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel 2016 überredete, den Job zu machen, wusste ich nicht genau, was da auf mich zukommt. Nach einem halben Jahr dann schon…
Wir müssen uns jeden Tag fragen, ob wir auf dem richtigen Weg sind. Machen wir das Richtige? Bringt es uns vorwärts?
Christian GREBER
Krone: Was waren diese sehr großen, extrem kräftezehrenden Herausforderungen?
Greber: Man versucht alle miteinander zu vernetzten, zusammenzuführen. Trotzdem musst du den „bösen Buben“ spielen, weil irgendwer ja die Richtung vorgeben muss. Während meiner Zeit bei Head habe ich in der Arbeit mit Rennsportleiter Rainer Salzgeber eines gelernt: Wir müssen uns jeden Tag fragen, ob wir auf dem richtigen Weg sind. Machen wir das Richtige? Bringt es uns vorwärts? Mit genau derselben Philosophie habe ich versucht beim Skiverband zu arbeiten. Das ist aus sportpolitischer Sicht keine leichte Aufgabe. Wenn man gewisse Details infrage stellt, wird das oft sehr kritisch gesehen. Reißt man dann Strukturen, deren Eckpfeiler teilweise schon 30 Jahre Bestand haben, ein wenig auf, dann kann es so richtig heftig werden - und so war es dann auch. Aber ich habe mich dieser Sache gestellt.
Krone: Und die Entwicklung hat Ihnen recht gegeben...
Greber: Eine wichtige Kennzahl im Nachwuchs ist, wie viele Leute wir in den Jahrgangsweltranglisten in den Top-50, in den Top-25, in den Top-10 haben. Wo waren wir vor 20 Jahren, was ist der aktuelle Status? 2016, als ich den Job antrat, war dieser Status Quo bei den Burschen desaströs. Ich habe dann versucht sehr eng mit den Landesverbänden zusammenzuarbeiten. Einige Länder haben sehr gut mitgespielt, andere weniger. Die Entwicklung bis 2021 - und es dauert doch einige Zeit, bis Ergebnisse sichtbar - war sehr gut. Diese Entwicklung durfte ich dem ÖSV-Präsidium im Frühjahr präsentieren und die Leute waren happy. Teilweise fast etwas enttäuscht, dass ich das Handtuch werfe. Für mich war der Zeitpunkt aber klar, da der Job so fordernd war, mich auch psychisch mitgenommen hat.
Wenn das um das Thema Sein oder Nichtsein geht, lernst du die Leute kennen. Da geht es dann richtig ans Eingemachte, teilweise auch unter die Gürtellinie.
Christian GREBER
Krone: Weshalb genau?
Greber: Fakt ist, dass der sportliche Leiter die Entscheidung treffen muss. Etwa was Förderungen, Kaderstatus, Sein oder Nichtsein angeht. Wenn das um das Thema Sein oder Nichtsein geht, lernst du die Leute kennen. Da geht es dann richtig ans Eingemachte, teilweise auch unter die Gürtellinie. Und das ist etwas, das mich persönlich gestört hat - das muss ich ganz ehrlich sagen. Das kannst du vielleicht für eine gewisse Zeit lang verdrängen, aber irgendwann raubt es dir den Schlaf.
Krone: Sie sind beim ÖSV geblieben, haben in die Entwicklungsabteilung gewechselt. Wie kam es dazu?
Greber: ÖSV-Sportdirektor Toni Giger hat mir das Angebot gemacht. Für mich war das gleich sehr interessant, da ich ja aus dem Bereich komme und mich das Materialthema nie losgelassen hat.
Krone: Was genau ist Ihre Aufgabe in dieser Abteilung?
Greber: Gemeinsam mit Edi Unterberger darf ich mich um die Ski-Technologie, sowie die Ausbildung und Einteilung der ÖSV-Serviceleute kümmern. Edi hat ist ein irrsinniger Tüftler, der über einen riesigen Erfahrungsschatz verfügt. Die Zusammenarbeit mit ihm macht mir sehr viel Spaß.
Die Skifirmen können das Servicepersonal nicht mehr so wie vor zehn, 15 Jahren stellen. Das geht sich finanziell nicht aus.
Christian GREBER
Krone: Es scheint, als ob die verbandseigenen Serviceleute immer wichtiger werden
Greber: Die Skifirmen können das Servicepersonal nicht mehr in der Form wie vor zehn, 15 Jahren stellen. Sie bedienen mit ihrem Servicepersonal dann Großteils nur mehr die absolute Spitze, die im Weltcup im vorderen Bereich liegt. Es wäre sehr schwierig, wenn die Skifirmen zusätzlich zum Material auch noch die Serviceleute aus der zweiten und dritten Reihe stellen müssten. Das geht sich finanziell einfach nicht aus. Darum wird bei uns, aber auch in Deutschland oder der Schweiz inzwischen sehr viel mit eigenem Personal gearbeitet.
Krone: Ihr Sohn Jakob ist bereits im ÖSV-B-Kader. Wie ist das Verhältnis mit ihm? Geben Sie Tipps, fragt er um Rat?
Greber: Auch wenn man ab und zu glaubt, dass eine „Vater-Sohn-Beziehung“ in diesem Geschäft eine lustige und prickelnde Sache ist - dem ist nicht so. Ich habe Jakob als kleinem Bub schon verklickert: „Wenn du es machen willst, mach es richtig!“ Sei es im Sport oder in der Ausbildung. Damals wusste keiner, wohin seine Reise gehen könnte. Aber er wuchs damit auf, wurde dahingehend erzogen. Heute versuche ich ihm seine Selbstständigkeit zu lassen, damit er seine eigenen Erfahrungen machen kann. Ich versuche mich auch so gut wie möglich aus Korrekturen herauszuhalten, wenn er mit dem Team arbeitet. Wenn mir allerdings etwas Gravierendes auffällt - egal ob positiv oder negativ - sage ich es ihm. Das nimmt er dann auch sehr gut an.
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