Sebastian Kurz, der politische Hoffnungsträger und „Saubermann“ der ÖVP, hat nach seinem Abgang (siehe Video oben) in den Abendstunden des Samstags erneut keine ganze Legislaturperiode absolviert. Nach dem Scheitern der türkis-blauen Regierung war seine zweite Amtsperiode mit 641 Tagen aber etwas länger als die erste. Mit 35 zum zweiten Mal Altkanzler ist aber wohl kein Superlativ, auf das der ehemals jüngste Außenminister, ÖVP-Obmann und Regierungschef Wert gelegt hat. Er geht schmachvoll ab, auch wenn er sich mit seinem Wechsel in den Parlamentsklub quasi in den Wartesaal begibt.
Ein Inseratenskandal in seinem Umfeld kombiniert mit Korruptionsermittlungen gegen ihn selbst war zu viel. Zu schwerwiegend sind die Vorwürfe gegen das System Kurz, das ihn im Rekordtempo an die Spitze der Regierung gespült hatte. Das Image des Saubermanns ist weg, auch wenn Kurz möglicherweise strafrechtlich die Ermittlungen wegen mittlerweile dreier Delikte überstehen sollte. Denn auch wegen Falschaussage im U-Ausschuss steht ja noch eine Anklage im Raum. Sollte jedoch in der Justiz alles gut gehen, könnte er auf den Ballhausplatz zurückzukehren versuchen.
Nachfolge von Schallenberg pikanter Vorschlag
Die Flucht nach vorne war für den erfolgsgeküssten Berufspolitiker der einzige noch einigermaßen gesichtswahrende Weg. Kurz bemühte sich darum, sich als unschuldig darzustellen und von engsten Weggefährten abzurücken. Dass er persönlich etwas falsch gemacht haben könnte, kam dem Kanzler freilich bei den laufenden Ermittlungen bisher eher weniger in den Sinn. Entweder fühlt er sich fehlinterpretiert oder hatte gar nichts damit zu tun.
Dass Außenminister Alexander Schallenberg ihm nachfolgen soll, ist pikant, gilt dieser doch - obwohl offenkundig in die Skandale nicht verwickelt - als langjähriger Weggefährte Kurz‘.
Chancen für Comeback standen nach Ibiza-Skandal besser
Schon einmal ist Kurz aus dem Kanzleramt gestolpert, als er Opfer rot-blauer Rachegelüste im Ibiza-Nachbeben wurde. Damals standen die Chancen, mit des Wählers Willen wieder am Ballhausplatz einzukehren, aber deutlich günstiger. Da gab es keine Razzia am Amtssitz des Bundeskanzlers und keine Vorwürfe wegen Falschaussage, Bestechlichkeit und Untreue.
Und auch das Pandemie-Management machte Kurz nur anfangs Freunde, sein Auf/Zu-Kurs sorgte an beiden Enden der Besorgnis-Skala für Unmut. Selbst bei Einstellung der Ermittlungen oder Freisprüchen werden die anderen Parteien wohl alles tun, aber Kurz nicht noch einmal ins Amt hieven.
Ganz aus der Politik verschwinden will ÖVP-Chef nicht
In Summe war Kurz zwar länger im Amt als Fred Sinowatz (SPÖ), jedoch deutlich kürzer als etwa Wolfgang Schüssel, Josef Klaus (beide ÖVP) oder Bruno Kreisky (SPÖ).
Sebastian Kurz wurde am 27. August 1986 in Wien geboren. Das politische Talent des JVP-Jünglings wurde von Michael Spindelegger gefördert. Ab Juni 2011 war er Staatssekretär für Integration, ab Dezember 2013 Außen- und ab März 2014 Außen- und Integrationsminister. Seit Mai 2017 ist er ÖVP-Obmann, von Dezember 2017 bis Mai 2019 und seit Jänner 2020 Bundeskanzler. Seine langjährige Lebensgefährtin Susanne Thier erwartet ihr erstes Kind. Ein Abschluss seines Jus-Studiums steht aus. Zu seinen Hobbys zählt Klettern.
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