Herr Kurz ist mal weg und wird Klubobmann. Neuer Volkssport in Österreich sind Spekulationen, ob er irgendwann ins Kanzleramt zurückkehrt. Genauso könnten freilich Chatskandal und Korruptionsaffäre zu einem scheibchenweisen Totalabgang führen.
1. Machen wir uns nichts vor: Die unseligen Chats von engsten Vertrauten des Ex-Bundeskanzlers Kurz mit ihm und was man für ihn macht - das alles ist ja unverändert da. Die Echtheit bestreitet niemand. Sollte - es gilt die Unschuldsvermutung - wirklich Inseraten- und Umfragekorruption betrieben worden sein, geht es nicht nur darum, ob Kurz selbst strafrechtlich etwas vorzuwerfen ist. Politisch wären Anklagen und Verurteilungen für sein Umfeld schlimm genug.
2. Doch der Chatinhalt ist ganz unabhängig davon ein Beleg für politische Macht- und Intrigenspiele der übelsten Art. Noch viel schlimmer als die Bezeichnung „Arsch“ von Kurz für seinen Vorgänger Reinhold Mitterlehner und „alte Deppen“ für die höchsten Landespolitiker der ÖVP ist da ein anderes Beispiel: Kurz war dafür, zu verhindern, dass 1,2 Milliarden Euro für die Nachmittagsbetreuung von Kindern aufgetrieben und verwendet werden. Nur weil er Mitterlehner den damit verbundenen Erfolg nicht gönnte.
3. Die Lust aufs Chatten dürfte Klubobmann Kurz verloren haben, was wird er also jetzt beruflich machen? Nach der Geschäftsordnung des Nationalrats würden Arbeitspläne, Tagesordnungen und Sitzungszeiten des Nationalrates sowie die Ausarbeitung bzw. Vorbereitung von Vorlagen für Beschlüsse zu seinen Aufgaben zählen. Nichts davon interessiert Kurz.
4. Kurz will gerne einfach sein Comeback vorbereiten. Doch hat er viel mehr verloren als das Amt des Bundeskanzlers. Er war jahrelang Meister der Bildsprache, bei inszenierten Auftritten mit sorgsam vorbereiteten Worten vor perfekt gestyltem Hintergrund. Als Klubobmann ist er nur einer von vielen in einem Saal. In Reihen sitzend mit 182 Kollegen. Unten im Plenum, während Nationalratspräsidium und Regierungsbank auf ihn herabschauen.
5. Solche Bilder schmecken Kurz nicht. Auch im TV trifft er ab sofort in Augenhöhe auf Herbert Kickl und Konsorten. Die Wahldiskussionen 2017 und 2019 ausgenommen, gibt es aus 10 Jahren Kurz kaum Fernsehbilder, die ihn in den Niederungen und Abgründen der politischen Auseinandersetzung mit Konkurrenten zeigen. In der Direktkonfrontation mit Kickl schon gar nicht. Tag für Tag solche Debatten dürften das Kurzimage abnützen.
6. Ach ja, hinzu kommt die Frage, was mit dem Umfeld von Kurz geschieht. Drei Mitarbeiter aus seinem Büro als Bundeskanzler sind ebenfalls Beschuldigte in strafrechtlichen Verfahren. Zwei gemeinsam mit Kurz wegen Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit, einer in anderer Angelegenheit. Behält der neue Bundeskanzler Schallenberg diese Mitarbeiter?
7. Oder gehen sie mit Kurz in den Parlamentsklub der ÖVP? Verschiebt man sie auf Parteiposten, um für Kurz als Chef der Partei die Dinge zu steuern? Nichts davon würde einen schlanken Fuß machen. Vor allem jedoch kann jede Aktivität von Kurz und seinen Getreuen seitens des grünen Koalitionspartners als Kriegserklärung verstanden werden. Dann wäre sofort die nächste Regierungskrise da.
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