Anschober zu Kurz:

„System etabliert, das katastrophal ist“

Politik
10.10.2021 23:18

Nach der Entschuldigung des Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen bei der österreichischen Bevölkerung für das offenbarte „Sittenbild“ in der ÖVP-Affäre meldete sich Sonntagabend auch der ehemalige Regierungspartner Rudolf Anschober (Grüne) zu Wort. „Was an Befund da liegt, reicht ja wirklich“, befürwortete der ehemalige Minister den Rückzug von Sebastian Kurz. Es brauche nun strukturelle Änderungen in der Politik, insbesondere bei der Vergabe von Inseraten. Schließlich sei ein „System etabliert worden, das katastrophal ist“.

Schon bei seiner Rücktrittserklärung erklärte der ehemalige Gesundheitsminister, dass er sich oft „alleine gelassen gefühlt“ habe - eine Aussage, die von Experten als indirekte Kritik am damaligen Bundeskanzler gewertet wurde. 

Rückzug „richtige Konsequenz“
Am Sonntag fand er auch in der ORF-Sendung „Im Zentrum“ klare Worte für den nunmehrigen Ex-Kanzler. Angesichts der im Raum stehenden Anschuldigungen hätte es so „nicht mehr weitergehen“ können. Es sei daher richtig, „dass die Konsequenz gezogen wurde“. Er gehe davon aus, dass Sebastian Kurz in den nächsten Monaten mit den gegen ihn vorliegenden Vorwürfen „noch intensiv beschäftigt“ sein werde. 

Im Rahmen eines Untersuchungsausschusses müsse nun „alles auf den Tisch gelegt werden", so Anschober. (Bild: APA/ROLAND SCHLAGER)
Im Rahmen eines Untersuchungsausschusses müsse nun „alles auf den Tisch gelegt werden", so Anschober.

Es sei die Entscheidung der Volkspartei, ihn zum Klubobmann im Parlament zu machen und damit in eine einflussreiche Position zu hieven. Hätte Kurz indessen an seinem Amt festgehalten, wäre ein Misstrauensantrag der Opposition jedenfalls legitim gewesen, so Anschober, der damit die entsprechenden Ankündigungen verteidigte. 

Anschober fordert lückenlose Aufklärung
Angesprochen auf die gemeinsame Zeit in der Bundesregierung erklärte Anschober, dass er „manchmal auch überrascht“ von manchen Vorgehensweisen des Kanzlers gewesen sei. Die nun aufgekommenen Vorwürfe würden nun aufzeigen, dass „ein System etabliert wurde, das katastrophal ist, das verheerend ist“. Dies habe dazu geführt, dass die Politik in der Bevölkerung noch mehr an Vertrauen eingebüßt hat. Grundvoraussetzung, um ein solche wieder herzustellen sei nun, dass „lückenlos aufgeklärt wird, was passiert ist“.

Im Zuge der Corona-Pandemie traten Anschober und Kurz oft als Duo auf - als die Beliebtheitswerte des grünen Ministers aber anstiegen, kippte die Stimmung. (Bild: APA/HERBERT PFARRHOFER)
Im Zuge der Corona-Pandemie traten Anschober und Kurz oft als Duo auf - als die Beliebtheitswerte des grünen Ministers aber anstiegen, kippte die Stimmung.

Kein Platz mehr für Störmanöver
In dem Zusammenhang spielte Anschober auch auf die Kritik mancher ÖVP-Abgeordneter in Richtung der unabhängigen Justiz an. Derlei „Störmanöver dürfen keinen Platz mehr haben“, machte er klar. Eine generelle politische Krise sah er in der aktuellen Situation jedoch nicht: „Jede Krise hat einen Wendepunkt in der Politik“, zeigte er sich optimistisch, dass nun strukturelle Änderungen - Stichwort: Vergabe von Inseraten - folgen müssten. 

Dies sei auch bereits von Anfang an im Regierungsprogramm vorgesehen gewesen. Regierungsinserate müssten ausschließlich „als Information“ eingesetzt werden - „hier braucht es eine Reform“, so Anschober.

Machtgier als Stolperstein
Gab sich Anschober in der Diskussion noch diplomatisch, fand die ehemalige Bundespräsidentschaftskandidatin und NEOS-Abgeordnete, Irmgard Griss, wesentlich deutlichere Worte: Kurz sei über seine „Machtgier“ gestolpert. Auch, dass der Ex-Kanzler immer wieder die auch für ihn geltende Unschuldsvermutung hervorstrich, wollte sie nicht gelten lassen - „das ist eine Verwechslung“ -, eine solche gelte zwar „juristisch, aber nicht politisch“.

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