Bei der TV-Messe Mipcom in Cannes feiert die RTL/ORF-Serie über Sisi Premiere: keine spannende Neuauflage, sondern ein banales und billig anmutendes frivoles Kostümepos.
65 Jahre lang machten die Produzenten einen Bogen um den Sisi-Stoff, den Ernst Marischka in den 1950er-Jahren erfolgreich verkitscht hatte. Und was machte nun RTL mit Co-Partner ORF mit an Bord aus dem Stoff? „Eine moderne Version der dramatischen Ereignisse um die österreichische Kaiserin Elisabeth in Kinoqualität“, sagte RTL-Deutschlandchef Henning Tewes in Cannes.
Sisi beim Masturbieren erwischt
„Modern“ - ein äußert strapazierfähiger Begriff, wie ein Blick auf die mit Spannung erwarteten ersten beiden Folgen lieferte: Die Serie beginnt damit, dass die 15-jährige Elisabeth (Dominique Devenport) in ihrem Bett masturbiert, dabei von ihrer Schwester Nele erwischt wird, die ihr wiederum erzählt, dass sie beim Selbstbefriedigen an den feschen Kaiser von Österreich (Jannik Schümann) denkt.
Was folgt, ist ein mit banalen Dialogen durchzogenes Epos, dessen Produzenten offenbar zu viel von der royalen, mit Sexszenen gespickten Netflix-Erfolgsserie „Bridgerton“ gesehen haben. Und so darf sich Sisi im Bordell bei der Lieblingsprostituierten des äußerst umtriebigen Jung-Kaisers Rat holen, wie es der künftige Gemahl denn halt so gern hat - um sie dann zum Dank zu ihrer Kammerzofe zu machen!
„Wir haben eine eigene Welt entworfen mit eigenen Regeln und Gesetzen“, sagt Regisseur Sven Bohse im „Krone“-Gespräch, „wir haben uns die Freiheit genommen, eine Welt zu kreieren, die sich historisch und authentisch anfühlt und wie wir sie cool finden.“
„Sex sells“ - das gilt auch für Sisi-Serie
„Sex sells“ bekanntlich: Die Serie wurde bereits u.a. nach Italien, Frankreich, Brasilien, Griechenland, in die Niederlande und viele osteuropäische Länder verkauft. Eine zweite Staffel ist bereits fixiert. Bei diesem wüsten Genre-Mix will Bohse vor allem „viel Lust auf gute Unterhaltung machen“, dabei „auch eine Abenteuergeschichte mit Schlachten und Verfolgungsjagden“ liefern und gleichzeitig „die Einzelschicksale der beiden Figuren beleuchten“. Verleugnen will er erst gar nicht, dass „Bridgerton“ maßgeblichen Einfluss auf das „Sisi“-Projekt hatte: „Ich denke, es ist uns aber gelungen, so etwas zu wagen und damit nicht auf die Nase zu fallen!“
Und was sagt man den Fans der Marischka-Trilogie? „Ich würde mir wünschen, dass sie sich beim Schauen unserer Serie von dem Klassiker befreien“, sagt „Sisi“ Dominique Devenport, „und dass sie nicht das Gefühl haben, dass wir uns damit vergleichen oder diesen übertrumpfen wollen. Der Klassiker darf immer der Klassiker zu Weihnachten bleiben.“ Was unterscheidet sie von der Romy-Schneider-Sissi? „Wir zeigen hier eine menschlichere, realistischere, vielseitigere Sisi und sind damit näher dran an der historischen Geschichte, was die Beziehung angeht.“
Zu sehen ist „Sisi“ Ende des Jahres auf der Streamingplattform tvNOW und 2022 bei ORF und RTL. Auch Netflix verfilmt gerade unter dem Titel „The Empress“ den Sisi-Stoff. Wie gut, dass bei all den Neuinterpretationen alljährlich Romy Schneider und Karlheinz Böhm über den Bildschirm tanzen.
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