Es ist schon spannend, wie nun alle so tun, als ob mit einem fliegenden Wechsel an der Regierungsspitze einfach so weitergemacht werden kann. Wie will man nach diesem Schlamassel denn noch vertrauensvoll zusammenarbeiten? Das geht sich doch auch mit viel Fantasie niemals aus!
Wenn man den Türkisen dieser Tage irgendetwas zugutehalten muss, ist es, dass sie auch in der größten Krise seit Ibiza zumindest strategisch den anderen überlegen waren. Es war ein mehr als kluger Schachzug, die Träumereien einer Minderheitenregierung zu zerschlagen, indem Sebastian Kurz überraschend zurücktrat und Alexander Schallenberg als seinen Nachfolger nominierte. Was muss sich Pamela Rendi-Wagner nur für Vorwürfe machen, dass sie nicht schneller reagierte? Sie hätte vielleicht jetzt Kanzlerin sein können!
Es wird keinen Koalitionsfrieden geben
Aber auch die Grünen scheinen mit dieser Rochade überrumpelt worden zu sein. Ihr Plan, in dieser Geschichte der Taktgeber zu sein, ging nicht wirklich auf. Wenn nämlich Kurz als mächtiger Klubobmann und Schattenkanzler die Fäden im Hintergrund zieht, kann wohl keine Rede davon sein, dass nun ein für alle Mal Ruhe einkehrt und Türkis-Grün wieder vollumfänglich handlungsfähig ist. Man muss kein Prophet sein, um zu erkennen, dass diese Konstellation noch für viele Scharmützel sorgen wird. Koalitionsfrieden wird es so schnell keinen geben.
Maurer und Kurz - das kann doch niemals gut gehen!
Denn schon alleine die Vorstellung, dass sich Sebastian Kurz mit Sigrid Maurer in koalitionärer Einigkeit die Klubobmanns-Bank im Parlament teilen wird, ist mehr Stoff für Karikaturisten als Realität. Auf der einen Seite steht der ehemalige Bundeskanzler, der sich im Nebenjob reinwaschen will, auf der anderen Seite die streitbare Grüne, die den Spagat zwischen moralischen Ansprüchen und Weiterarbeiten schaffen muss - das kann doch niemals gut gehen!
Nach Corona-Frust kommt jetzt der Politik-Frust
Auch das angeknackste Vertrauen spricht nicht unbedingt für eine friktionsfreie restliche Legislaturperiode. Nicht nur untereinander, sondern auch der Bevölkerung gegenüber könnte das zu einem Minenfeld werden. In Zeiten, in denen wir einerseits mit wieder steigenden Neuinfektionszahlen kämpfen und andererseits den Neustart des Landes probieren, ist diese Regierungskrise eigentlich das Letzte, was wir gebraucht haben. Auf Corona-Frust folgt Politik-Frust. Und das ist das eigentliche Dilemma.
Hält Türkis-Grün?
Türkis-Grün wird es die nächsten Jahre also mächtig schwer haben, das Vertrauen zu kitten und die letzten Tage vergessen zu machen. Hätte man vor Wochen noch bei der Wette auf ein vorzeitiges Regierungsende keinen Blumentopf gewonnen, wird dieses Szenario immer wahrscheinlicher. Es wäre ja zu schön gewesen, wenn einmal eine Regierung eine volle Legislaturperiode hält.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.