Sommerein – eine 2050-Seelen-Gemeinde in der Nähe von Wien am Leithagebirge. Mit einer langen Vergangenheit. Bereits in der Jungsteinzeit war das Gebiet besiedelt. Ein idyllisches Plätzchen. Hier kennt man sich untereinander. Kurzum: ein Ort zum Wohlfühlen. Doch seit dem Sommer 2018 ist hier für einige Bewohner nichts mehr, wie es früher war.
Massive Erdbewegungen
„Als wir aus dem Urlaub zurückkamen, waren da plötzlich Risse in den Wänden“, erzählt Martin Klinger beim „Krone“-Lokalaugenschein. Beim Betreten des Hauses fällt man hier buchstäblich auf die Couch. „Diese Stufe mitten im Wohnzimmer war früher nicht da“, erklärt er. Die Mauern sind von Rissen übersäht, Fliesen splittern von den Wänden, Säulen sind gebrochen. Durch einen Spalt in der Schlafzimmerwand sieht man den Garten.
„Damit sparen wir uns das Lüften“, hält Klinger ironisch fest. Denn die Fenster lassen sich hier schon lange nicht mehr öffnen. Auch bei Engelbert und Margit Trinko ein paar Häuser weiter bietet sich ein ähnliches Bild. Risse in den Kellerwänden, der Wasserpegel des Pools im Garten neigt sich bereits zur Seite. „Das Haus ist praktisch unverkäuflich. Wir haben hier alles reingesteckt“, ist das Ehepaar verzweifelt. „Es ist eine ständige Bedrohung. Das Haus bewegt sich permanent. Es kracht und grammelt, dann taucht wieder ein neuer Riss auf“, schildert Klinger.
Uralte Wasserwege im Boden
Schuld an der Misere ist der Klimawandel. Denn aufgrund der Bodenbeschaffenheit kommt es in diesem Teil des Siedlungsgebietes zu folgenschweren Erdbewegungen. Besonders quellfähige Tonmineralien (Smektit) in oberflächennahen Bodenschichten sind Hauptgrund für die massiven Schäden in diesem Bereich. Das Haus einer Nachbarin musste aufgrund der Schäden bereits abgerissen werden. Da kam die Versicherung noch für den Schaden auf. Mittlerweile gibt es über 100 Schadensmeldungen und ein Großgutachten der Gemeinde.
Aus den über 600 Seiten geht hervor, dass im Hotspot-Bereich um den Kuppelstand „eine Korrelation klimatischer Einflüsse auf den Verlauf der Bodenbewegungen eindeutig feststellbar ist. Die Bodenbewegungen und die beobachteten Schäden an den Bauwerken sind eine Folge dieser Prozesse“. Von 2007 bis 2010 gab es in Sommerein abnormal große Mengen Niederschläge, gefolgt von langen Trockenphasen in den vergangenen Jahren.
Es ist erwiesen, dass der Boden sehr sensibel auf Änderungen im Feuchtehaushalt reagiert.
heißt es in dem Sachverständigen-Gutachten
„Es ist ein Präzedenzfall. Hier werden zum ersten Mal Schäden aufgrund des Klimawandels thematisiert“, hält Ortschef Karl Zwierschitz fest. Einige Bürger stehen vor den Trümmern ihrer Existenz. Die Versicherungen streiken. Es handle sich um „Setzungen“, wird den Hausbesitzern mitgeteilt. „Es sieht doch jeder, dass dies keine normalen Setzungen sind“, ärgert sich Klinger. Der Zusammenhalt in der Gemeinde ist jedenfalls groß. Wegziehen möchte keiner!
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