Die Mieten am freien Markt sind explodiert. Die TU-Wien hat einen Leistungsrechner erstellt. Er zeigt: In welchem Grätzel kann ich mit meinem Gehalt noch eine Wohnung finden ...
Vier von zehn Wienern sind beim Wohnen auf den freien Markt angewiesen. Und dort spielen die Preise verrückt. Seit 15 Jahren geht es nur nach oben, obwohl auf Teufel komm raus gebaut wird. Mehr Angebot, sinkende Preise? Das gilt in Wien nicht. Anleger aus dem In- und Ausland saugen den neuen Wohnraum auf. Für die einheimische Bevölkerung bleiben die Krümel.
Wer eine Bleibe sucht, muss sich bei der Besichtigung oft mit hundert Konkurrenten herumschlagen. Forscher des Instituts für Raumplanung der Technischen Uni Wien haben auf Basis von mehr als 10.000 Standard-Immobilieninseraten eine Leistbarkeitskarte der Grätzel erstellt. Der Mietmonitor verknüpft das persönlich verfügbare Einkommen mit dem Wohnungsangebot.
Ein Beispiel (siehe Grafik). Eine Familie (zwei Erwachsene, ein Kind), hat netto 3330 Euro im Monat zur Verfügung. 1000 Euro können sie rein fürs Wohnen ausgeben. Wo können sie um das Geld drei Zimmer bekommen? Die Daten zeigen: Einzig in drei Grätzeln in Ottakring, Sechshaus und Simmering gebe es Angebot für sie. Überall anders wird es schon sehr knapp.
Gute Lagen nur noch für Bestverdiener
In Top-Lagen ist gar nichts zu finden. Verändert man die Eingabe, ändert sich die Farbe. Wichtig: Die Karte bildet den privaten Sektor ab. Gemeindebauten und Genossenschaften sind nicht dabei.
Eine weitere Einschränkung ist zu beachten. Die Daten reichen bis 2019. Dann kam Corona und damit eine völlig veränderte Situation. Eine Weiterentwicklung des Rechners ist angedacht, so Projektleiter Justin Kadi im „Krone“-Interview (siehe unten).
Wien ist teuerstes Pflaster in Österreich
Weg von der Miete, hin zum Eigentum. Wien ist das teuerste Bundesland in ganz Österreich (in Kitzbühel ist es noch teurer, das ist aber eine Kleinstadt), so eine aktuelle Erhebung des Premium-Maklers Engel & Völkers. Wohnungen haben sich seit 2016 um 22 Prozent verteuert.
Kleineres Haus kostet im Schnitt 700.000 Euro
Wer im Vorjahr ein Haus (100 bis 180 Quadratmeter) kaufen wollte, musste im Schnitt 700.000 Euro hinblättern. Ein Anwesen in Döbling ging um 30 Millionen Euro über den Tisch, selbst für erfahrene Makler außergewöhnlich hoch.
Der Plafond ist nicht erreicht. „Ich glaube, die Preise werden weiter anziehen. Die Nachfrage aus dem Ausland ist hoch“, sagt Engel-&-Völker-Chef Philipp Niemann. Wer es sich leisten kann, will mehr Fläche. Homeoffice-Büro, Garten oder Balkon sind seit Covid Pflicht, die grünen Randlagen in Hietzing, Währing und Döbling ein Renner.
Wie viele Wohnungen stehen in Wien leer?
Zurück zu den Wohnungen: Die Stadt weiß nicht, wie viele längerfristig leer stehen. Wien hat 62.000 Nebenwohnsitze, wie eine aktuelle Rathaus-Anfrage zeigt. „Der zunehmende Missbrauch von Wohnungen als Betonsparbücher ist ein Problem“, so der Grüne Wohnbausprecher Georg Prack.
Zu diesem sagenhaften Preis wechselte eine Döblinger Immobilie im Vorjahr den Besitzer. Wo sie ist und wie sie aussieht, das möchte der Eigentümer lieber für sich behalten.
„Krone“: Herr Dr. Kadi, Sie haben mit Ihrem Team den Mietmonitor erfunden. Hat es Sie überrascht, wie wenig sich ein Durchschnittsverdiener noch leisten kann?
Justin Kadi: In dieser Dimension schon. Wer wenig Geld hat, findet innerstädtisch nur noch sehr wenig Angebot auf dem privaten Markt.
Im Monitor setzen Sie die Wohnkostenbelastung mit 30 Prozent der Netto-Haushaltseinkommen als Leistbarkeitsgrenze an. Wie realistisch ist das?
Die 30 Prozent sind in der Wissenschaft ein üblicher Wert. Die Statistik Austria setzt hier 25 Prozent an, andere nehmen 40 Prozent.
Dann kam Corona. Das hat den Markt verändert.
Dr. Justin Kadi, Stadt- und Wohnungsforscher der TU Wien
Für Ihre Auswertung haben Sie mehr als 10.000 Immobilienangebote über den Zeitraum von 2011 bis 2019 herangezogen. Keine aktuelleren Daten?
Dann kam Corona. Das hat den Markt verändert. Wir sind bestrebt, den Monitor weiterzuentwickeln.
Was erwarten Sie für die nächsten Jahre? Eine weitere Preisexplosion?
Das hängt etwa davon ab, was mit dem Mietrecht und den Zinsen passiert. Bleiben die Zinsen so niedrig, wird der Immobiliensektor für Anleger und Investoren weiter attraktiv sein. In Wien werden bald viele Neubauten fertig, die Frage ist, in welchem Preissegment.
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