Neues Album „Rausch“

Superstar Helene Fischer: So nah und doch so fern

Musik
15.10.2021 06:00

Viereinhalb Jahre ließ Superstar Helene Fischer ihre Millionen Fans auf neue Musik warten - auf „Rausch“ zeigt sich die 37-Jährige ungebrochen zeitgemäß und hitverdächtig, teilt ihre Gefühle und Gedanken aber offener denn je mit ihren Fans. Helene bleibt auch anno 2021 der Maßstaß im deutschsprachigen Pop-Schlager.

(Bild: kmm)

Man hätte es sich ja denken können. Selbst wenn der originale „Captain Kirk“ William Shatner mit stattlichen 90 Jahren für eine kurze Umdrehung ins All fliegt und kurz nach der Landung Amazon-Guru Jeff Bezos tränenüberströmt um den Hals fällt, oder die englischen Superstars Coldplay auf ihrem neuen Album „Music Of The Spheres“ endgültig die irdische Bodenhaftung verlieren, ist man noch nicht ganz im Weltall gelandet. Für den wortwörtlichen „Rausch“ des Universums benötigt es dann doch Superstar Helene Fischer, die sich für gleichnamiges Album gut viereinhalb Jahre Zeit ließ, aber damit nun wohl wieder in Welten vorstoßen wird, die man als gewöhnlicher Homo Sapiens nur vermuten kann. Die 37-Jährige ist schon seit einiger Zeit bigger than life und frei nach der korrekten Prämisse „willst du was gelten, mach dich selten“ hat sich der Marktwert der blonden Schlagerkönigin zuletzt in ungreifbare Sphären erhöht. Helene ist mittlerweile eine so große Nummer, dass selbst ein internationaler Top-Star wie Robbie Williams metaphorisch auf Knien rutschend um ein Duett bei seinem München-Auftritt im Sommer 2022 bettelt.

Beziehung mit Knicken
Für ihren eigenen, nur wenige Tage davor stattfindenden Auftritt in der bayrischen Hauptstadt hat sie unlängst innerhalb von 24 Stunden rund 100.000 Tickets verkauft und einmal mehr bewiesen, in welch gigantomanischen Ausmaßen sie sich schon seit Jahren bewegt. Während Helene in den letzten Wochen ihr eigenes Leben und gewonnene Klarheiten als den „Rausch“ bezeichnete, der ihrem neuen Album den Titel verleiht, befinden sich die Heerscharen von Fans ihrer Göttin gegenüber unentwegt im demütigen Liebesrausch. Die Beziehung zu ihrem Superstar hat in den letzten Monaten aber doch ein paar leichte Knicke bekommen. Als Helene vor einiger Zeit die erste Single „Vamos A Marte“ veröffentlichte, waren die gediegenen Puristen unter ihren Anhängern leicht verstimmt. Das Duell mit dem Latin-Superstar Luis Fonsi eröffnet ihr freilich neue große Märkte, aber wer die ohnehin schon länger nicht mehr vorhandene deutsche Bodenständigkeit an Helenchen schätzte, war ob des rhythmischen Sinnesrausches anfangs etwas verstört.

Dann wurde auch noch breitenwirksam ihre Schwangerschaft geleakt - wie kann sie nur! Helene gehört uns doch allen! Die Krux des Superstartums ist und bleibt die Tatsache, dass man sich und sein Leben nicht mehr für sich hat, damit geht Fischer auch nach einem guten Jahrzehnt als massenwirksame Leitfigur noch leidlich missgestimmt um. Auf ihren Social-Media-Accounts ging sie dann zwar in die Offensive und attackierte (nicht ganz zu Unrecht) die sensationsheischenden Medien, doch Souveränität von der Position des Popschlagerkönigsthrons herab sieht anders aus. Rein musikalisch ist auf „Rausch“ aber dann doch alles nicht so schlimm, wie es die Unkenrufer und Verängstigten ohne weitere Informationsgrundlage wochenlang dystopisch predigten. Natürlich hält sie nicht mehr steif und fest an „Atemlos durch die Nacht“ oder dem „Herzbeben“ fest, aber Fischer versteht es auf „Rausch“ geschickt, die gewohnte Erfolgsformel mit zeitgemäßen Klangveränderungen zu nuancieren.

Direkt von Disney
Das Verlassen des Irdischen lässt sich schon aus den Songtiteln herauslesen. Neben „Vamos A Marte“, zu Deutsch „Lass uns zum Mars gehen“, zeigt sich Fischer auch bei „Volle Kraft voraus“, „Engel ohne Flügel“ oder „Blitz“ von ihrer planetenumarmenden Seite. Doch hinter der kommerziellen und allumfassenden Fassade versteckt sich auf „Rausch“ mehr Verletzlichkeit, als wir es von Helene bislang gewohnt waren. Balladen oder balladeske Momente wie eben „Engel ohne Flügel“ oder „Danke für dich“ zeigen sie genauso nachdenklich und liebevoll wie „Hand in Hand“ oder „Genau dieses Gefühl“. Da passte es auch gut, dass sie beim auf YouTube und TikTok über die Bühne gegangenen Albumrelease-Stream gestern Abend auch auf die Fragen der Fans einging und sich Zeit nahm, um ihr Gefühl des Ankommens und der seelischen Mitte mit ihrem Publikum zu teilen. Besonders auffallend sind die intensiven Texte, die sich öfter denn je um Zweisamkeit, gegenseitige Unterstützung und das Finden des inneren Friedens drehen. Ein Song wie „Alles von mir“ könnte in seiner Schmalzigkeit direkt einem Disney-Soundtrack entlehnt sein.

Diese Nähe vermittelt sie offenbar auch in ihrer Dokumentation „Helene Fischer: Im Rausch der Sinne“ (Samstag, 16. Oktober, 22 Uhr, ORF2), die Helene so nah und intim wie nie zuvor vermitteln soll. Mit dem Power-Song „Wann wachen wir auf“ beruft sich Fischer aber auch fortlaufend auf ihre gesellschaftliche Verantwortung, die sie als Person des öffentlichen Interesses in den letzten Jahren verstärkt wahrnahm. Man denke etwa zurück an 2018, als sie sich klar hinter die #wirsindmehr-Bewegung stellte und gegen die zunehmende Spaltung der Bevölkerung in Deutschland auftrat, oder als sie sich letztes Jahr während den schwierigsten Pandemie-Querelen für alle Künstlerinnen, Ton- und Lichttechniker und Crewmitglieder einsetzte, die von der Bunderegierung vornehmlich im Stich gelassen wurden. Das vertonte Plädoyer für ein Miteinander kommt natürlich nicht ohne Pathos aus, zeigt aber doch mehr klare Kante als es das Gros ihrer Schlager-Mitbewerber für gewöhnlich beherzigen.

Weiter Trends setzen
Helene Fischer findet auf „Rausch“ offenbar nicht nur ihren persönlichen inneren Seelenfrieden, sondern wirkt auch musikalisch aufgeräumter und weniger bombastisch. Sie vertraut vermehrt auf ihre Stimme, ihr Gefühl und vermittelt ihre Botschaften zunehmend ohne nur auf Glanz und Glorie des Massengeschmacks zu schielen. Das ist bitte nicht falsch zu verstehen, denn auf „Rausch“ hat Helene noch immer durchgehendes Hitpotenzial, für das andere Künstler töten würden, aber die etwas ruhigere und insgesamt zunehmend poppigere Ausrichtung scheint doch das Tor zu einem neuen Karrierekapitel für die größte Sängerin im deutschsprachigen Raum zu öffnen. Der Schlager ist eben längst im 21. Jahrhundert angekommen und Helene setzt die Trends nicht nur musikalisch, sondern auch längst schon inhaltlich. Ein „Rausch“, der die Massen begeistern und ihre Popularität weiter steigern wird. Helene bleibt auch nach längerer Künstlerpause in ihrem Metier unerreicht.

Live in Österreich
Am 8. April 2022 soll Helene Fischer beim „Sound & Snow“ in Bad Hofgastein bei ihrer einzigen Österreich-Liveshow endlich wieder live zu sehen sein. Weitere Infos und Karten gibt es unter www.oeticket.com

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